Supply-Chain-Management: Lieferketten krisensicher aufstellen

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Eine Frau mit Sicherheitsweste und Bauhelm überprüft den Lagerbestand mit einem Klemmbrett

Die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und stark steigende CO₂-Kosten tragen unter anderem dazu bei, dass die weltweiten Lieferketten unsicherer und teurer werden. Aber Unternehmen können mit verschiedenen Strategien die Widerstandsfähigkeit ihrer (gestörten) Lieferketten stärken. Unsere Tipps helfen Ihnen, Risiken in Ihrem Supply-Chain-Management erfolgreich zu verringern.

In Krisenzeiten

Die Handlungsfähigkeit von Einkauf und Supply-Chain-Management (SCM) ist entscheidend für den Geschäftserfolg von produzierenden Unternehmen – während und nach der Coronakrise und des Ukraine-Krieges: Sie müssen die Versorgung sichern und damit die Arbeitsfähigkeit aufrechterhalten.

Einkauf und Lieferkettenmanagement sind Frühwarnindikatoren für Krisen. Mit jedem neuen Krisenherd wächst die Zahl der Unternehmen, die mit Störungen in der Lieferkette umgehen müssen: „Durch die Störung der Lieferketten ist nichts mehr sicher“, erklärt Jan Philippi, Eigentümer des gleichnamigen Design-Labels. „Dass sich Containerpreise innerhalb von Wochen verfünffachen könnten, hätte ich mir nie träumen lassen. Wann kommt die bestellte Ware, in welcher Qualität wird sie geliefert, zu welchem Preis kann ich nachbestellen? Die Beschaffung wurde zum Lotteriespiel.“

Lieferketten auf dem Prüfstand

Um Lieferkettenunterbrechungen zu vermeiden, haben 13 Prozent befragter Unternehmen Zulieferteile selbst hergestellt. 38 Prozent der Industriefirmen sortierten beispielsweise bestehende Lieferanten um, so das Ifo-Zentrum für Außenwirtschaft in einer Studie vom November 2022. „Jedes dritte Unternehmen hat bereits neue oder zusätzliche Lieferanten für benötigte Rohstoffe, Vorprodukte oder Waren gefunden“, analysiert Carolin Herweg, Referatsleiterin Internationale Konjunktur bei der DIHK (Deutsche Industrie- und Handelskammer). Weitere 30 Prozent seien noch auf der Suche.

Das Unternehmen Philippi hat während der Corona-Pandemie Container aus China per Bahn statt per Schiff verladen lassen. „Zusätzlich haben wir die Produktion diverser Artikel von China nach Indien verlagert“, erläutert der Eigentümer. „Zurzeit sehen wir uns wieder stärker in Europa um. Welche Produktionsstätten gibt es beispielsweise in Osteuropa und was könnten wir dort fertigen lassen.“

„Neben der Überprüfung von Lieferketten und Standorten ergreifen die Unternehmen noch weitere Maßnahmen zur Stabilisierung ihrer Geschäfte: 41 Prozent geben an, den hohen Kostendruck bereits an die Kundschaft weitergegeben zu haben, weitere 34 Prozent planen noch Preiserhöhungen“, prognostiziert Herweg. Die Inflation bleibt auch 2023 ein weltweit prägendes Thema.

Europäisches Lieferkettengesetz wird auf 2028 verschoben

Das Europäische Parlament hat im April 2025 im Eilverfahren der Verschiebung des EU-Lieferkettengesetzes zugestimmt. Es soll ein Jahr später als bislang geplant kommen. Die ersten Vorschriften sollen ab dem 26. Juli 2028 gelten, die vollständige Umsetzung der Richtlinie ist für Juli 2029 vorgesehen. Die Verschiebung gilt als Formsache, da sich die EU-Staaten bereits zuvor dafür ausgesprochen hatten. Unternehmen sollen dadurch mehr Zeit bekommen, sich darauf vorzubereiten. Um Unternehmen von Bürokratie zu entlasten, könnte es auf Vorschlag der EU-Kommission in den kommenden Monaten zudem zu weiteren Erleichterungen bei der Umsetzung des Gesetzes kommen, über die noch verhandelt werden muss.

Die Abgeordneten stimmten darüber hinaus für eine Verschiebung von Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Unternehmen. Teile dieses Gesetzes sollen um zwei Jahre nach hinten verschoben werden. Das betrifft insbesondere Vorgaben für Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten, für größere Unternehmen gilt das Gesetz bereits.

Mit dem Lieferkettengesetz sollen Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten für mögliche Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Umweltzerstörung zur Verantwortung gezogen werden. Bei Verstößen sollen hohe Bußgelder drohen.

In Deutschland soll das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz kurzfristig abgeschafft werden. Union und SPD haben sich im neuen Koalitionsvertrag darauf geeinigt, es durch ein neues Gesetz zur internationalen Unternehmensverantwortung zu ersetzen. Dieses soll die EU-Richtlinie „bürokratiearm und vollzugsfreundlich“ umsetzen.

5 Schritte zum krisenfesten Supply-Chain-Management

1. Interdisziplinär arbeiten

In der Coronakrise haben viele Unternehmen Taskforces ins Leben gerufen und die damit verbundene schnelle Entscheidungsfindung schätzen gelernt. Vertreter:innen aller Abteilungen stimmen sich in kurzen Intervallen ab. Der Bereich Lieferkettenmanagement spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wichtig ist nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit, sondern auch Agilität: Was am Vortag sinnvoll erschien, ist einen Tag später möglicherweise schon wieder überholt.

Diese in der Krise gezeigte Lern- und Anpassungsfähigkeit wird auch nach der Pandemie helfen, wenn es gelingt, diesen Schwung mitzunehmen. Digitale Kollaborationsplattformen können dabei unterstützen.

2. Transparenz schaffen

Unternehmen sollten ihre Lieferanten für sämtliche Projekte im Blick haben und sie mit wenigen Klicks visualisieren können. Oft liegen die Daten aber in verschiedenen technischen Systemen – mit jeweils unterschiedlichen Datenhoheiten.

Investitionen in die Harmonisierung von Daten zahlen sich schnell aus. Mit Process Mining lassen sich komplexe Verbindungen und Prozessverläufe in den Lieferketten transparent darstellen – so wie sie tatsächlich ablaufen und wie sie idealerweise ablaufen sollten. Dieser Vergleich ermöglicht es, Optimierungspotenziale entlang der gesamten Lieferkette aufzudecken und SCM-Prozesse anzupassen.

3. Risiken früh erkennen

Geschäftskritische Risiken und deren Auswirkungen auf die Lieferkette sollten kontinuierlich überwacht werden. Dafür braucht es ein Risikomanagement, das im besten Fall auch auf Smart Data aus externen Quellen zurückgreift. Dazu können Wetterdaten ebenso gehören wie Streikankündigungen, Hinweise auf politische Konflikte – oder eben Informationen über die Ausbreitung von Virusinfektionen.

Genauso wichtig sind Informationen über die Lieferanten und das Transportmanagement. Digitale Lösungen helfen Firmen dabei, besser mit Lieferanten und Logistikpartnern zusammenzuarbeiten. Dadurch können die Partner wiederum effizienter planen und Informationen über mögliche Engpässe frühzeitig an ihre Kundinnen und Kunden übermitteln.

Die Blockchain-Technologie, eine Art dezentrales Logbuch für Daten, kann unter Umständen viele Vorteile für die Überwachung von Lieferketten bieten: Daten werden verifizierbar übermittelt und aktuell und sicher vorgehalten.

4. Lieferanten diversifizieren

Was für die Produktion von Atemschutzmasken und für Grundstoffe für Medikamente gilt, gilt auch für andere Güter: Das Outsourcing ganzer Produktionsbereiche nach Asien hat europäische Firmen in Zeiten von Corona verwundbar gemacht. Keine gute Idee, nur auf einen Lieferanten zu setzen oder nur mit Lieferanten aus einer Region zusammenzuarbeiten. Nicht nur Epidemien und Kriege, sondern auch Naturkatastrophen oder die Änderung von politischen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen können schnell zu Störungen in der Lieferkette führen.

Unternehmen sollten ihre Lieferanten also diversifizieren, um das Risiko zu streuen. Dann wirken sich Erschütterungen in einzelnen Liefermärkten weniger gravierend aus. Daher steht nun bei vielen Unternehmen mit globalen Lieferketten weit oben auf der Agenda, Kapazitäten im heimischen Markt beziehungsweise in der Europäischen Union (EU) neu oder wieder aufzubauen.

Sowohl in Europa als auch in gut 30 anderen Ländern kann der EuropaService der Sparkassen-Finanzgruppe weiterhelfen. Im Rahmen seines Kooperationsservices bietet er Sparkassen-Firmenkunden und -Firmenkundinnen die Unterstützung bei der Suche nach Geschäftspartnern im Ausland an. Das erleichtert ihnen die Diversifizierung ihrer Lieferanten.  

5. Compliance-Risiken im Blick behalten

Auch wenn viele Entscheidungen in der Krise besonders schnell getroffen werden müssen, sollten Sie Ihre Firma keinen neuen Compliance-Risiken aussetzen, etwa in Hinblick auf Korruption, Embargos oder die Verletzung von Menschenrechten.

Die Überwachung auch neuer Lieferanten ist daher zentral. Die Auslagerung bestimmter Prüf- und Kontrollaufgaben an einen Dienstleister kann hier helfen. Bestimmte Schritte im Supply-Chain-Management lassen sich auch automatisieren.

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