Leuchtturmprojekt an der Förde: Kiel investiert 65 Millionen Euro in die Zukunft des ÖPNV
Kiel ist Vorreiter bei der Elektromobilität: Aktuell werden die Fahrgäste von 47 E-Bussen klimafreundlich transportiert. Bis Anfang März 2022 werden es 67 E-Busse sein. In den kommenden Jahren sollen dann noch weitere folgen. Ihre Akkus laden die Stromer dank eines einzigartigen Ladekonzeptes unterwegs. Für diese nachhaltige Zukunftsvision investiert die KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH gemeinsam mit ihren Partnern der Deutschen Leasing und der Förde Sparkasse insgesamt rund 65 Millionen Euro.
In ein paar Jahren soll die gesamte Busflotte der KVG elektrisch unterwegs sein. „Das Besondere ist für mich, dass wir hier gerade die Zukunft des ÖPNV in Kiel so stark beeinflussen. Damit setzen wir ein starkes Signal. Auch im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wie Klimaschutz, Abkehr von fossilen Brennstoffen und ÖPNV-Verkehrswende“, sagt Hauke Evers. Ende August 2020 ist der erste elektrische Bus ausgeliefert worden. Ab Oktober 2020 startete der Regelbetrieb der ersten Strecke. Doch das Gemeinschaftsprojekt, dessen Grundlagen bereits vor mehreren Jahren gelegt wurden, wird alle Beteiligten noch Jahre beschäftigen. Die Umstellung des Kieler ÖPNV auf Elektromobilität ist noch mittendrin.
47 vollelektrische Gelenkbusse seit Dezember 2021
Ein Blick auf die Fakten verrät die Dimensionen dieses Vorzeigeprojekts. Seit Ende des Jahres 2021 befördern 47 vollelektrische Gelenkbusse Fahrgäste durch Kiel. Das ist allerdings nur eine Zwischenstation. Bis Anfang März 2022 sind weitere 20 vollelektrische Fahrzeuge geplant. Diese Zahlen verraten nur in Ansätzen, wie mühsam der Weg hin zum vollelektrischen Kieler ÖPNV ist. Zumal es dafür keine Blaupause gibt, die man aus der Schublade ziehen könnte. „Wir haben in so vielen Bereichen Neuland betreten. Genügen die Netzkapazitäten für die Errichtung der Ladeinfrastruktur? Wo soll der Ökostrom für den Betrieb herkommen und reicht die Batteriekapazität für die Linienlängen?“, sagt Evers. „Während man früher einen neuen Bus gekauft hat und wusste, der funktioniert, wie der alte, machen wir jetzt alles zum ersten Mal.“ Die Realisierung eines solch komplexen Projektes ist Maßarbeit. Das beginnt bei der Entscheidung über die Planung und die Finanzierung bis hin zur Umsetzung. Doch das Kieler Beispiel zeigt auch, dass der Weg hin zum klimafreundlichen ÖPNV alternativlos ist.
Kiels Luftproblem
Doch warum startet die Zukunft des umweltfreundlichen ÖPNV gerade in Kiel? Ein Grund sind mit Sicherheit die äußeren Umstände. Kiel hat seit Jahren ein Problem mit schadstoffbelasteter Luft. Die Stickoxid-Grenzwerte am Theodor-Heuss-Ring werden regelmäßig deutlich überschritten. Die Deutsche Umwelthilfe hat das Land Schleswig-Holstein daraufhin verklagt. Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge stehen im Raum. Somit steigt auch der politische Handlungsdruck und die Bereitschaft, schnell zu handeln.
In Kiel wuchs die Einsicht, dass ein umweltfreundlicher ÖPNV ein entscheidender Baustein ist, damit die Mobilitätswende gelingt. Daher stellte die Landeshauptstadt die Weichen in Sachen ÖPNV früh auf Klimaschutz. Dafür hat die Ratsversammlung den „Masterplan 100 % Klimaschutz“ beschlossen und den Klimanotstand ausgerufen. Das heißt, der Klimaschutz fließt in die Bewertung von Investitions- und Ausgabenvorhaben ein. Das Bekenntnis und die Unterstützung für die Elektromobilität im ÖPNV sind da. Doch sie sind nur die eine Seite. Welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines solchen Vorhabens lauerten, zeigte sich bei der detaillierten Planung.
Elektromobil unterwegs – aber wie?
„Die Einführung der Elektromobilität ist nicht einfach mit dem Kauf eines Elektrobusses erledigt“, sagt Hauke Evers. Vielmehr stehen dahinter detaillierte Überlegungen zum Ladekonzept, Batteriegarantiezeiten, den örtlichen Gegebenheiten sowie zu Finanzierung und Förderung. All diese Parameter bedingten sich gegenseitig und mussten schließlich in ein funktionierendes Gesamtkonzept gegossen werden. Das ließ sich nur im Team und mit Experten aus dem jeweiligen Bereich stemmen, die ihr Know-how einbrachten.
Kiels Schlüssel zum Erfolg: Aufladung auf Strecke
„Unsere Engpässe waren Zeit und Kapazität“, sagt Evers. Daher war schon zu Beginn der Überlegungen klar: Die E-Busse in Kiel sollen auf der Strecke nachgeladen werden. Das hat den Vorteil, dass die Busse rund um die Uhr im Einsatz bleiben können und nicht nach einer bestimmten Zeit für beispielsweise vier Stunden zum Nachladen müssen. „Solch eine Depotladung, wie sie andere Städte einsetzen, hätte zur Folge gehabt, dass wir statt eines neuen Busses, direkt einen zweiten gebraucht hätten, um die gleiche tägliche Einsatzzeit zu erhalten“, sagt Evers.
Die KVG geht stattdessen einen anderen Weg. An ausgewählten Endhaltestellen hat man Ladepunkte installiert, sogenannte Pantographen. Die E-Busse fahren regelmäßig darunter und können innerhalb von vier bis acht Minuten ihre Batterien nachladen. Die Busfahrer haben in dieser Zeit Pause. Anschließend sind die Busse sofort wieder einsatzfähig. Bevor die Fahrzeuge nachts in die Abstellhalle gefahren werden, werden sie mit 450 KW Hochvolt noch einmal 12 bis 20 Minuten voll aufgeladen. Dann sind sie für die kommenden Schichten einsatzfähig. Mehrere kostenintensive Depotladepunkte auf dem Betriebshof entfallen. „Dieses Konzept ist ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Evers. So könne die KVG auf eine geringere Batteriegröße setzen. Und weniger Batteriegewicht bedeutet automatisch eine höhere Passagierkapazität.
Erfahrung und Know-how als Erfolgsfaktoren für die Finanzierung
Auch die Finanzierung für das Vorhaben stellte eine enorme Herausforderung dar. Ein Grund dafür war, dass die verschiedenen Finanzierungsinstrumente wie Fördermittel, Darlehenssumme und Eigenanteil miteinander in Einklang gebracht werden mussten. Zudem ging es darum die Fördermittelzusagen zu erhalten und auch zum vereinbarten Zeitpunkt abrufen zu können.
Als diese Informationen feststanden, wurden konkrete Gespräche geführt und Vereinbarungen getroffen. In der Finanzierungsanfrage haben sich die Förde Sparkasse und die Deutsche Leasing durchgesetzt. Den Ausschlag gab letztlich auch die fundierte Branchenkenntnis. „Wir haben bereits mehrere solcher ÖPNV-Großprojekte begleitet und besitzen langjährige Erfahrung – auch im Hinblick auf Beantragung und Abruf möglicher Fördergelder. Dieses Know-how konnten wir in die gemeinsamen Gespräche einbringen und aufzeigen, welche Fallstricke es bei solch komplexen Projekten gibt und wie sie sich umgehen lassen“, sagt Jörg Steinhoff, Gebietsleiter Großkunden Transport und Logistik der Deutschen Leasing.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit
Die erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Finanzierung zwischen KVG, Förde Sparkasse und Deutscher Leasing hat Tradition. „Als Hausbank haben wir bereits beim Kauf der Hybridbusse mit der KVG zusammengearbeitet. Die Umrüstung der Busflotte ist ja ein Prozess, der mehrere Jahre dauert. Wir freuen uns sehr, nun auch die Umstellung hin zur E-Mobilität begleiten zu können, um so gemeinsam dem Ziel eines nachhaltigen und klimafreundlichen ÖPNV in Kiel ein gutes Stück näher zu kommen“, sagt Marco Schulz, stellvertretender Direktor Unternehmenskunden der Förde Sparkasse. Für die KVG besitzen diese Investitionen eine enorme Tragweite. „Wir sind sehr froh darüber, dass wir als kommunales Verkehrsunternehmen unterstützt durch unsere Partner solch einen Weg gehen können“, sagt Hauke Evers.
Nachhaltiger ÖPNV in Kiel als Auftakt für mehr
Mit den 67 E-Bussen bis Anfang März 2022 soll noch längst nicht Schluss sein. „Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht. Doch es wird in Zukunft nicht nur darum gehen, wie wir den nächsten Bus finanzieren – ganz egal, ob der vollelektrisch oder vielleicht eines Tages mit Wasserstoff betrieben wird“, sagt Götz Bormann, Vorstandsvorsitzender der Förde Sparkasse. „Wir wollen künftig noch stärker mit regionalen Partnern zusammenarbeiten, um den Bürgern einen Mehrwert zu bieten. Die Kooperation für einen nachhaltigeren ÖPNV in Kiel zwischen KVG, Förde Sparkasse und Deutscher Leasing ist dafür ein gutes Beispiel – und für uns alle eine tolle Motivation für die Zukunft.“
Wer nachhaltig handelt, wirkt im Sinne einer lebenswerten Zukunft. Als Sparkasse zählt es darum von Gründung an zu unseren Aufgaben, Verantwortung in unserer Region zu übernehmen und die Aspekte der Nachhaltigkeit fest in unserer Geschäftsstrategie zu verankern.
Wir bekennen uns zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit, um das Gemeinwohl in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen.