Tatort soziale Netzwerke: Verschwörungsmythen und Fake News im Internet

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Ein Mann sitzt vor einer Schulklasse auf einem Tisch vor einer Tafel.

Spätestens im Zuge der Corona-Krise haben wohl die meisten Menschen Erfahrungen mit Fake News und Verschwörungsideologien gemacht. Im Freundes- und Bekanntenkreis, in den Medien und vor allem im Internet. Etwa 30 Prozent der Deutschen sind offen für Verschwörungsideologien, in Amerika sind es sogar 50 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass eine Sensibilisierung für das Thema wichtiger denn je ist. Deshalb wurde das Projekt „Tatort soziale Netzwerke“ ins Leben gerufen, das von den Schleswig-Holsteinischen Sparkassen finanziell gefördert wird.

Das Projekt „Tatort soziale Netzwerke“

Das Projekt „Tatort soziale Netzwerke“, in dem insgesamt knapp 80 Schul-Workshops sowie Lehrkräftefortbildungen angeboten werden, wird in Kooperation zwischen der Europäischen Akademie Schleswig-Holstein e.V., dem Europe Direct Südschleswig und dem Landesbeauftragten für politische Bildung durchgeführt. Blogger, Journalist und Extremismusexperte Carsten Janz besucht Schulen in ganz Schleswig-Holstein, um mit Schüler:innen ins Gespräch zu kommen. In dem Workshop „Tatort soziale Netzwerke: Verschwörungsmythen und Fake News im Internet“ geht es darum, die jungen Menschen für Fake News und Verschwörungsmythen zu sensibilisieren und ihnen einen souveränen Umgang mit ihnen zu vermitteln.

Workshop an der Isarnwohld-Schule

11:30 Uhr, die Schulglocke klingelt. Der Unterricht in Klasse O2n der Isarnwohld-Schule in Gettorf beginnt. Doch heute findet hier keine normale Geschichtsstunde mit Lehrerin Silke Schuppenhauer statt. Denn heute sind Gäste da: Investigativ-Journalist Carsten Janz und wir von der Förde Sparkasse. 

„Ich bin Carsten, ihr dürft mich gern duzen“, begrüßt Carsten Janz die Schüler:innen der 11. Klasse. Der 41-Jährige in Hoodie und Jeans, der sich lässig an die Tafel lehnt, ist mit den Teeangern direkt auf einer Wellenlänge. Janz‘ journalistische Arbeit begann bereits vor 20 Jahren während seines Studiums. Aktuell arbeitet er bei T-Online in der Investigativabteilung, zuvor war er 14 Jahre für den NDR in unterschiedlichen Redaktionen tätig. Auf seine Einstiegsfrage, welche Erwartungen die Schüler:innen an den Workshop haben, gibt es sofort einige Wortmeldungen. Sie wollen wissen, wie man Verschwörungsideologien erkennt und welche besonders gefährlich sind. Auf diese und weitere Fragen wird es im Laufe des Workshops Antworten geben – und viele neue Erkenntnisse. 

Was sind Verschwörungsideologien?

„Verschwörungsideologien sind im Kern etwas, was eine große Verschwörung einer Elite annimmt, um der Menschheit zu schaden“, so Janz. Sie nutzen Wissenslücken aus und bieten ideologische „Fakten“ als Antworten, die im Gegensatz zu einer offiziellen Version der Wahrheit stehen. Den Schüler:innen fallen direkt einige Beispiele ein: Echsenmenschen, Corona-Impfung, Mondlandung, Chemtrails, QAnon… „Ihr wisst ja schon eine ganze Menge!“, staunt Janz. 

Die zwei aktuellsten und gefährlichsten Verschwörungsideologien sind die des großen Austausches und die Protokolle der Weisen von Zion. „Erstere geht davon aus, dass angeblich die deutsche Bevölkerung durch Ausländer ersetzt werden soll, damit irgendwann gar keine Deutschen mehr da sind“, erklärt Janz. Die Theorie der Protokolle der Weisen von Zion besagt, dass Jüdinnen und Juden die Weltherrschaft unter sich aufgeteilt haben. „Das ist besonders aktuell, weil das im Nahostkonflikt von der Hamas einfach aufgegriffen wird und auch Grundlage ihres Handelns ist.“

Aktive Mitarbeit der Schüler:innen

Zur Einordnung zeigt Janz den Schüler:innen einige YouTube-Videos, darunter auch Einblicke in eigene Reportagen, bei denen er verdeckt als Investigativ-Journalist mit Anhänger:innen von Verschwörungsideologien in den persönlichen Austausch trat. Janz bezieht die Schüler:innen während des ganzen Workshops aktiv mit ein. Zwischendurch fragt er sie immer wieder nach ihrer Meinung und ihren persönlichen Erfahrungen, außerdem dürfen sie Begriffe aus ihrer Sicht erklären. Zum Abschluss führen alle mit ihren Smartphones oder Tablets eine Recherche im Kurznachrichtendienst Telegram durch. Dabei bekommen sie einen Einblick in verschiedene Gruppen, in denen Verschwörungsideologien verherrlicht werden. „Wie ist euer Gefühl nun nach dem Lesen dieser Nachrichten – in einem Wort zusammengefasst?“ Schlecht, schockiert, bestürzt, aufgewühlt. Das Gelesene hat alle nachdenklich gemacht und für verständnisloses Kopfschütteln, aber auch für kurze Lacher gesorgt.

Faktencheck

Bevor der Workshop endet, zeigt Carsten Janz den Schüler:innen der Isarnwohld-Schule noch, wie sie Informationen auf Echtheit prüfen können. Dazu gibt es mehrere seriöse Webseiten, die einen Gegencheck anbieten:

Als Journalist arbeitet Janz nach dem Zwei-Quellen-Prinzip. Bei diesem Ansatz in der journalistischen Recherche und Informationsbeschaffung werden mindestens zwei unabhängige Quellen herangezogen, um die Richtigkeit und Zuverlässigkeit von Informationen zu überprüfen. Dies trägt dazu bei, Fehlinformationen, Gerüchte oder einseitige Berichterstattung zu vermeiden.

Lehrerin Silke Schuppenhauer und die Schüler:innen der O2n sind nach dem Workshop total begeistert. Und auch Carsten Janz ist zufrieden: „Jede Klasse ist unterschiedlich und so ist auch jeder Workshop individuell. Die Klasse heute hat wirklich toll mitgearbeitet.“

Zum Abschluss noch drei Fragen an Carsten Janz

Wie kann man Verschwörungsideologien erkennen?

„Es gibt so ein paar Begrifflichkeiten, an denen man das erkennen kann. Zum Beispiel die Schlafschafe und die Wölfe: Schlafschafe haben es noch nicht begriffen, was mit ihnen gemacht wird. Die Wölfe sind die, die es begriffen haben. Jede Verschwörungsideologie ist antielitär, also sie geht immer gegen eine Elite. Diese Elite ist austauschbar, häufig ist es das Weltjudentum, manchmal aber auch nur reiche Banker oder Politiker. Verschwörungsideologen müssen nicht einer Meinung sein. Sie können über denselben Zusammenhang, zum Beispiel über Corona, unterschiedlicher Meinung sein und sind trotzdem auf derselben Demonstration zu finden.“

Wie gehst du bei deiner Arbeit als Journalist mit dem Thema um?

„Dadurch, dass ich auch verdeckt auf Treffen gedreht habe und auch ganz ehrlich mit allen Parteien spreche, die in Deutschland gerade relevant sind, habe ich natürlich auch Kontakt zu Menschen, die solchen Verschwörungsideologien verfallen sind. Deshalb habe ich auch so eine Art Antenne. Es gibt auch immer wieder Fernsehbeiträge oder Beiträge in Zeitungen oder Onlinemedien, wo möglicherweise solche Verschwörungsideologien auch ungewollt verbreitet werden, weil einfach Aussagen von gewissen Politiker:innen unkommentiert stehen gelassen werden.“

Stichwort Deepfakes mit KI – Wie schätzt du das ein? Wird es in Zukunft dann quasi nahezu unmöglich einzuschätzen, was jetzt echt und was fake ist?

„Ich hoffe, dass es nicht unmöglich wird, aber ich gehe davon aus, dass es extrem schwer wird. Bei den Stimmen, die KI generiert sind, ist es fast unmöglich. Und bei den Bildern wird es auch irgendwann sehr sehr schwierig. Also ich habe da schon große Sorge, vor allem in unübersichtlichen, schnellen Lagen, also wenn zum Beispiel ein Krieg ausbricht oder wenn ein Amoklauf passiert. Und da sind Journalist:innen einfach gefragt, das auch genau so zu benennen, also zu sagen: Wir sind uns nicht sicher, die Quelle ist unsicher.“

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