Nachhaltigkeit. Dieser Begriff wird inzwischen nahezu inflationär genutzt. Ob Pharma-, Telekommunikations- bzw. Technologieunternehmen oder Hersteller von Konsumgütern – viele Firmen nutzen das Label für sich. In Zeiten von Klimawandel und Fridays for Future macht sich ein grüner Anstrich einfach gut. Doch ist Nachhaltigkeit keinesfalls nur Marketing-Schnack, wie Kevin Bröde, Nachhaltigkeitsmanager der Förde Sparkasse, zu berichten weiß.
Herr Bröde, wie definieren Sie als Nachhaltigkeitsmanager in der Förde Sparkasse überhaupt den Begriff Nachhaltigkeit?
Ziel von Nachhaltigkeit ist es, eine dauerhaft tragfähige Entwicklung zu erreichen. Das bedeutet, dass wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte im Einklang stehen. Kurzum: Es geht darum, eine lebenswerte Welt für uns Menschen zu bewahren. Leider sind wir davon auf diesem Planeten derzeit so weit entfernt wie noch nie in der Menschheitsgeschichte.
Einen offiziellen und vor allem einheitlichen Nachhaltigkeitsstandard gibt es aber noch nicht?
Noch nicht. Aber der europäische Gesetzgeber schafft gerade ein EU-Klassifikationssystem für nachhaltige Tätigkeiten. Es wird also bald Normen und Kennzeichen für umweltfreundliche Finanzprodukte geben. Das wird deutlich mehr Transparenz in den Markt bringen und die ohnehin schon größer werdende Nachfrage dynamisieren.
Glauben Sie, dass Nachhaltigkeit sogar das bestehende Wirtschaftssystem verändern wird?
Absolut. Bis auf wenige Ewiggestrige hat jeder mittlerweile verstanden, dass wir so ressourcenvernichtend wie jetzt nicht mehr weiterleben können. Muss man ressourcenintensive Produkte wie Textilien, Früchte, Fleisch o. Ä. zu Spottpreisen kaufen können? Darf eine Flugreise so günstig sein wie derzeit, obwohl die ökologischen Schäden so groß sind? Müssen Bananen, die 10.000 km um die Welt geflogen werden, weniger kosten als heimische Äpfel vor der Haustür?
Das Wirtschaftssystem wird sich viel mehr an ökologischen und sozialen Aspekten ausrichten müssen, um unseren Planeten nicht zu zerstören. Wir brauchen Anreize, sich an ökologische und soziale Standards zu halten. Dies wird in vielen Bereichen zu Preissteigerungen führen. Daher müssen die Menschen etwas lange Verlorenes wieder erlernen: Verzicht auf billige Produkte und Dienstleistungen, die unserer Umwelt massiv schaden.
Was heißt das nun für die Förde Sparkasse? Welche Bereiche der Sparkasse sind vom Thema Nachhaltigkeit betroffen?
Es gibt eigentlich keinen Bereich, der davon nicht betroffen ist. Wir sprechen dabei zum Beispiel von einem energieeffizienten Geschäfts- und Gebäudebetrieb, dem Personalmanagement, unseren Eigenanlagen und dem gesellschaftlichen Engagement unseres Hauses. Im Fokus unserer Nachhaltigkeitsstrategie steht jedoch ganz klar unser Kerngeschäft. Nachhaltige Anlageprodukte und Bewilligungskriterien für ein verantwortungsvolles Kreditgeschäft sind für uns die künftigen Hauptaufgaben.
Ab 2020 soll es in der EU zu einer verpflichtenden Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz in der Anlageberatung kommen. Was bedeutet das zukünftig für den Berater? Muss er nun auch Fachmann für Nachhaltigkeit werden?
Ein Nachhaltigkeitsspezialist muss der Berater nicht werden. Er muss aber ein Grundverständnis von Nachhaltigkeit und den entsprechenden Produkten haben. Denn Kunden verstehen den Begriff durchaus unterschiedlich. Darauf muss der Berater eingehen können. Nicht nur, weil es bald gesetzlich verpflichtend ist, sondern weil es der Kunde möchte.
Wie kann ein Kunde jetzt schon erkennen, ob er wirklich in nachhaltige Unternehmen investiert?
Unsere Produkte zielen natürlich darauf ab, nachhaltige Projekte und Unternehmen zu beinhalten. Unsere Berater und unsere Verbundpartner verfügen über Informationen, die wir unseren Kunden gerne zur Verfügung stellen. Letztlich hat jeder Mensch jedoch ein anderes Verständnis von Nachhaltigkeit. Der eine lehnt Investments in Tabak ab, der nächste möchte keine Rüstungsunternehmen unterstützen. Das gilt es, im Kundengespräch herauszufinden.
Haben Sie selbst bereits in nachhaltige Unternehmen investiert? In welchen Branchen sehen Sie die größte Substanz für Nachhaltigkeit?
Mit jeder Kaufentscheidung im Alltag investiert der Verbraucher in Unternehmen und deren Produkte. Jeder Griff ins Supermarktregal entscheidet darüber, ob ich nachhaltig konsumiere oder nicht. Wähle ich das billigste Industriefleisch, kaufe ich regionales Obst und Gemüse, achte ich auf wenig Plastikverpackung oder kaufe ich beim ortsansässigen Handwerksbäcker? Die gleichen Entscheidungen muss ich auch bei der Geldanlage treffen.
Da sich das gesamte Wirtschaftssystem ändern wird, sind grundsätzlich alle Branchen betroffen. Bereiche wie Energie, Mobilität, Ressourceneffizienz, Bildung und Gesundheit sind sicherlich große Zukunftsfelder in diesem Zusammenhang.