30 Jahre Mauerfall: Wirtschaftliche Mauern noch nicht abgetragen

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Die Euphorie ist längst abgeklungen, für die Jüngeren ist der Mauerfall bzw. die deutsche Vereinigung vielfach eher ein Ereignis aus dem Geschichtsbuch. Und doch wirkt gerade in wirtschaftlicher Hinsicht die Vergangenheit nach.

Nicht nur die konkreten Umstände, die die friedliche deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1989 begleiteten, sondern wesentlich auch die davorliegenden vier Jahrzehnte der politischen und wirtschaftlichen Trennung. Denn Wirtschaftsstrukturen wandeln sich nur sehr langsam, und einmal ausgehobene Gräben sind hier nur in sehr langen Zeitspannen wieder einzuebnen. Die wirtschaftlichen Herausforderungen für die neuen Bundesländer begannen nicht bei der Wiedervereinigung, sondern in Wahrheit schon bei der Teilung. Denn der Aderlass an Abwanderungen von Unternehmenszentralen und Produktionsstandorten in dieser Zeit ist Jahre später nicht einfach wieder rückgängig zu machen. Im Fall der beiden Deutschlands ziehen daher noch heute viele ökonomische Unterschiede aus der Zeit der Trennung die ursprüngliche Grenze nach.

Beispiel Aktienmarkt

Immer noch haben nur 13 von 160 Unternehmen der großen deutschen Aktienindizes ihren Hauptsitz in den neuen Bundesländern einschließlich Berlin. Bei der wirtschaftlichen Angleichung sind die Ergebnisse gemischt. Lag das ostdeutsche Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt zu Beginn noch bei 37 Prozent des gesamtdeutschen Durchschnitts, ist es heute auf 73 Prozent angestiegen – wobei man immer berücksichtigen muss, dass auch im Westen die Wirtschaftsleistung pro Kopf von Jahr zu Jahr weiter anstieg. Betrachtet man die einzelnen Bundesländer, fällt zum einen eine große Heterogenität – allerdings auch unter den westdeutschen Bundesländern – auf, zum anderen, dass die ostdeutschen Länder geschlossen die letzten Plätze belegen. Schaut man auf die Entwicklung im Detail, so zeigt sich, dass sich nach einem stürmischen Wachstum in den Anfangsjahren die wirtschaftliche Dynamik stark abgeschwächt hat. Zwar holt der Osten bei der Wirtschaftsleistung pro Kopf bis heute leicht auf. Noch immer erreicht die Pro-Kopf-Produktivität allerdings erst 75 Prozent des gesamtdeutschen Wertes. Immerhin gelang es, die hohe Arbeitslosigkeit spürbar zu reduzieren. 1994 betrug die Arbeitslosenquote noch 15,4 Prozent, heute liegt sie bei nur noch 6,5 Prozent. Hierbei muss jedoch als Hintergrund auch die Abwanderungswelle gesehen werden, bei der sich erst in jüngster Zeit zaghafte gegenläufige Tendenzen zu Wort melden.

Geld und Vermögen

Hier zeigt sich beides: zum einen ein relatives Aufholen der neuen Bundesländer, zum anderen weiterhin verbliebene Lücken. Der Abstand zwischen dem durchschnittlichen Haushaltsvermögen in West und Ost ist seit 1993 absolut sogar angestiegen (von 20.600 EUR auf 22.800 EUR). Weil die Vermögen in beiden Regionen in dieser Zeit jedoch deutlich angestiegen sind, hat sich der relative Unterschied vermindert. Dem Abstand von heute 36 Prozent zwischen Ost und West entsprach im Jahr 1993 noch ein Abstand von 64 Prozent.

Aktien in Ost und West

Gemessen an der Aktienquote sind heute die Bewohner der ostdeutschen Bundesländer noch konservativer als in Restdeutschland. Der Anteil der Aktienbesitzer an der Bevölkerung in den neuen Ländern liegt bei 5,2 Prozent. Im Westen kommt die Aktie auf 6,7 Prozent. In Thüringen und in Sachsen finden sich mit jeweils 5,7 Prozent noch die höchsten Quoten an Aktienbesitzern. Niedrigere Einkommen, Vermögen wie auch Ansparzeiten sind auch hier die Ursachen für die Unterschiede. Da sich jedoch mittlerweile fast alle anderen Anlageformen ins Nullzins-Nirwana verabschiedet haben und sich gerade im Jubiläumsjahr der deutschen Einigung an den Finanzmärkten die Einsicht verbreitet hat, dass das Nullzinsumfeld für ganz Deutschland noch viele Jahre lang anhalten wird, steigen die Aktienquoten der privaten Haushalte in den letzten Jahren ganz langsam an – und dies ist ein Trend, der deutschlandweit gleich ist, ob im Süden oder Norden, Osten oder Westen.

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