Gestörte Lieferketten: Fachkonferenz in der Förde Sparkasse

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Eine Frau und vier Männer diskutieren auf einer Bühne vor Publikum

„Welthandel unter Spannung – Wie können globale Abhängigkeiten in Lieferketten reduziert werden?“ Unter dieser Überschrift diskutierten Expert:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft in der Förde Sparkasse im Rahmen der Konferenzreihe „Perspektiven“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des DSGV. Über 100 Gäste waren der Einladung der Förde Sparkasse gefolgt, um mehr über gestörte Lieferketten und mögliche Lösungsansätze zu erfahren. 

Bewährte Funktionsweisen der Globalisierung sind seit der Corona-Pandemie nachhaltig gestört: Es hakt in den internationalen Lieferketten gewaltig, denn nach der Pandemie folgten weitere Krisen wie u.a. der Krieg in der Ukraine oder die Blockade des Suezkanals. Wie empfindlich sind bewährte Handelsbeziehungen beeinträchtigt? Was ist der richtige Umgangsweise damit für Unternehmerin oder Unternehmer:innen? Wie können globale Abhängigkeiten reduziert werden? 

Götz Bormann, Vorstandsvorsitzender der Förde Sparkasse, wies darauf hin, dass bis vor Kurzem das Prinzip „just in time“, also die exakte Lieferung von Waren genau in dem Moment, in dem sie gebraucht werden, normal war. „Heute sind viele Unternehmen froh, wenn sie wissen, wann sie überhaupt wieder Ware erhalten“, so Bormann. „Für Unternehmen geht es nun darum, bei der Suche nach neuen Lösungen die richtige Balance aus Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit zu finden.“ In dem Zusammenhang verwies er auf die Rolle der Sparkassen, die nicht nur die Region sehr gut kennen, sondern mit der S-International über ein breites internationales Netzwerk verfügen, von dem regionale Unternehmen profitieren. Auch bei der Suche den richtigen Finanzierungsentscheidungen würden die Sparkassen helfen, beispielsweise für den Bau von Lagerhallen oder für mehr energetische Unabhängigkeit.

So reagieren Unternehmen auf gestörte Lieferketten

Lisandra Flach, Leiterin des Zentrums Außenwirtschaft am Ifo-Institut in München, gab anhand verschiedener Zahlen einen schnellen Überblick über die aktuellen Probleme und mögliche Lösungsansätze. „Pandemie und Krieg haben das deutsche Wirtschaftsmodell ins Wanken gebracht, was vor allem daran liegt, dass Deutschland wie auch die Europäische Union stärker in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden sind als die USA und China“, so Flach. China zähle bei sieben von neun kritischen Rohstoffen jeweils zu den wichtigsten fünf Lieferländern für die deutsche Wirtschaft. 

Sie verwies darauf, dass das Kappen globaler Lieferbeziehungen jedoch nicht der richtige Weg ist. Das sogenannte Re-Shoring, also das Zurückholen von Produktionsprozessen nach Deutschland, würde nach Berechnungen des ifo-Instituts eine Verringerung des Bruttoinlandsproduktes um zehn Prozent zur Folge haben. Im Rahmen einer Befragung durch das Institut, wie Unternehmen auf gestörte Lieferketten reagieren, antworteten 40 Prozent der Manager deutscher Unternehmen, dass sie ihre Beschaffungsstrategie ändern wollen. Dabei wurde deutlich, dass größere Unternehmen eher auf Diversifizierung setzen, kleinere auf eine bessere Überwachung oder den Ausbau eigener Lagerhaltung. 

Als klare Handlungsempfehlung nannte die Expertin diese fünf Punkte:

  • kritische Abhängigkeiten identifizieren und reduzieren,
  • strategische Partnerschaften und Abkommen mit anderen Ländern eingehen,
  • in Forschung und Entwicklung investieren,
  • den europäischen Binnenmarkt stärken 
  • sowie eine wirtschaftspolitische Strategie für den Umgang mit China und den USA entwickeln.

Gestörte Lieferketten bei vielen Unternehmen „Toprisiko“

In der anschließenden Diskussionsrunde wies Carolin Herweg, Referatsleiterin Internationale Konjunktur bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), zum einen auf die erstaunliche Robustheit vieler Unternehmen in den vergangenen Krisen, betonte aber gleichzeitig: „Wir sind noch nicht über den Berg“. Eine Umfrage der DIHK im Herbst habe ergeben, dass 42 Prozent der Unternehmen Störungen in den Lieferketten zu verzeichnen hatten. „Viele Unternehmensleitungen schätzen das als Toprisiko ein“. Thoralf Volkens, Metallbauermeister und Vizepräsident des Bundesverbands Metall, machte dies gegenüber den Gästen anhand eines Beispiels deutlich: „Ein fehlender Kleber für eine Dichtung kann die gesamte Produktion lahmlegen!“

Weitere Einblicke in die Praxis gab es von Jan Philippi, Geschäftsführer der Philippi GmbH, die Designprodukte wie Vasen, Schalen oder Kerzenhalter produziert und eng mit Zulieferern aus China zusammenarbeitet. Aufgrund von Lieferengpässen musste er die Lagerhaltung hochfahren. Aber kaum sei eine Lösung für das eine Problem gefunden, poppe schon das nächste auf: „Inzwischen ist es schwierig geworden, Lagerraum anzumieten.“ Früher habe er auch in Deutschland oder Italien fertigen lassen, aber ein Produkt, das wegen der Fertigung in der Europäischen Union 100 Euro teurer ist als vergleichbare Ware, habe wenig Absatzchancen. 

In der abschließenden Diskussionsrunde über gestörte Lieferketten mit dem Publikum wurde noch einmal die Frage gestellt, warum Deutschland relativ gut durch die Krise gekommen sei. DIHK-Referatsleiterin Herweg sieht die Gründe vor allem in der hohen Exportquote: „Es zeigt sich, dass die Globalisierung Fluch und Segen zugleich ist“.  

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