Am 26. September ist es so weit: Deutschland wählt einen neuen Bundestag und eine neue Regierung. Gespannt warten die Bürgerinnen und Bürger darauf, wer die neue Bundeskanzlerin oder der neue Bundeskanzler wird. Die Auswirkungen von Wahlen auf die Finanzmärkte werden aber oft überschätzt. Uwe Streich, Aktienstratege unseres Research-Partners LBBW, hat dennoch für Sie einmal analysiert, wie die unterschiedlichen Regierungskoalitionen den DAX in der Vergangenheit beeinflusst haben.
Aktuell: SPD mit Auftrieb bei den Umfragen
Gut eine Woche vor der Wahl ist von der – seitens der Union erhofften – Trendwende noch wenig zu spüren. Schenkt man den Wahlumfragen Glauben, spricht dieses Mal schließlich einiges dafür, dass die SPD stärkste Kraft im Bund wird.
Koalitionspoker
Nimmt man die derzeitigen Mittelwerte aus den Wahlumfragen obiger acht Institute als Basis, erscheinen aktuell vier unterschiedliche Drei-Parteien-Koalitionen sowie eine Koalition aus lediglich zwei Parteien denkbar. Bei drei dieser fünf denkbaren Kombinationen (Deutschland, Jamaika, Ampel) dürfte die Erringung einer Sitzmehrheit im Parlament kein Problem sein, bei den verbleibenden beiden Konstellationen (Rot/Rot/Grün, GroKo) könnte es allerdings knapp werden. Die nachfolgenden Werte sollen lediglich als grober Überblick dienen: Hierzu haben wir nämlich nicht das tatsächliche Wahlprozedere – also inklusive möglicher Überhangmandate – nachexerziert, sondern lediglich die aus den Wahlumfragen ermittelten Durchschnittswerte unter Abzug der Stimmen für die Sonstige Parteien auf 100% hochgerechnet.
Stand jetzt sieht es somit danach aus, dass eine Mitte/Rechts-Koalition, also unter Einbeziehung der AfD, nicht auf mehr als 50% der Sitze käme. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würden Union und FDP wohl einen Teufel tun ein solches Bündnis einzugehen. Ein Bündnis aus SPD, den Linken sowie den Grünen könnte zwar eine Mehrheit schaffen. Aber auch hier dürften sich die Protagonisten in der SPD bzw. den Grünen ziemlich genau überlegen, ob sie dies tatsächlich wollen. So gab Annalena Baerbock beispielsweise bereits zu Protokoll, dass sie mögliche Gespräche mit den Linken zwar nicht völlig ausschließe, angesichts deren Standpunkte in der Außenpolitik allerdings nicht daran glaube, dass eine solche Koalition überhaupt möglich wäre. Beide genannten Bündnisse, also sowohl Mitte/Rechts als auch Rot/Rot/Grün würden aus unterschiedlichen Gründen wohl für – zumindest temporäre – Irritationen an den Aktienmärkten sorgen.
Ob die Union einer Großen Koalition zustimmen würde, wenn sie hierbei nur der Juniorpartner ist, darf ebenfalls bezweifelt werden. Dies würde dann wohl auch eine Deutschland-Koalition ausschließen. Falls die Union lediglich zweitstärkste Kraft im Bund ist, würde Jamaika zudem mit der Tradition brechen, dass die stärkste Fraktion – in diesem Fall die SPD – den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Dass jene gebrochen, wäre dabei allerdings nicht das erste Mal. Angesichts dieser Überlegungen erscheint uns – Stand jetzt – eine Ampel-Koalition als die wahrscheinlichste aller Varianten.
DAX steht mehr auf die Union
Zur Beantwortung der Frage, ob historisch ein Kanzler oder eine Kanzlerin der Unionsparteien oder der SPD besser für die Entwicklung des DAX war, haben wir die längste uns zur Verfügung stehende Zeitreihe zum DAX-Kursindex (also ohne Berücksichtigung der zusätzlichen Dividende) herangezogen. Da die Zeitreihe erst mit Jahresbeginn 1965 startet, bleibt die Kanzlerschaft Konrad Adenauers außen vor.
Es zeigt sich, dass der DAX-Kursindex in den seither rund 37 Jahren unter Führung der Union um 10,6 % p.a. stieg, während er es in den 19 Jahren unter einem sozialdemokratischen Kanzler lediglich auf einen Kursanstieg um 1,7 % p.a. brachte. Es scheint daher, dass sich die im Vergleich zur SPD tendenziell unternehmensfreundlichere Politik der Unionsparteien auch positiv in der Entwicklung des Aktienmarkts niederschlägt.
Nicht täuschen lassen
Die Betrachtung absoluter Zahlen hat jedoch einen gravierenden Nachteil: So kann die SPD einerseits genauso wenig für das Platzen der Dotcom-Bubble kurz nach der Jahrtausendwende verantwortlich gemacht werden, wie andererseits die Union für den Ausbruch der Finanzkrise. Die Unionsparteien hatten gegenüber der SPD jedoch den Vorteil, dass einzelne besonders schwache Jahre weniger stark auf ihren Durchschnittswert durchschlugen, weil sie insgesamt wesentlich länger am Ruder waren als die SPD.
Für die Analyse der jüngeren Historie (seit Dezember 1990, also ab der dritten von insgesamt vier Amtsperioden Helmut Kohls) wählten wir daher einen anderen Ansatz. Hierzu betrachteten wir nämlich nicht die absolute, sondern die relative Kursentwicklung. Im Mittelpunkt stand hierbei, ob sich der deutsche Aktienmarkt besser oder schlechter entwickelte als die Titel in der restlichen Europäischen Wirtschaftsunion (EWU). Ob die Anleger zu einem bestimmten Zeitraum also im Krisenmodus oder stattdessen in Jubelstimmung waren, spielt bei dieser Form der Berechnung somit keine Rolle. Weil es hierzu allerdings direkt miteinander vergleichbarer Indizes bedarf und uns jene lediglich für einen kürzeren Zeitraum zur Verfügung stehen, mussten wir im Unterschied zu unserer ersten Untersuchung hier gewisse Abstriche bei der Anzahl der insgesamt betrachteten Jahre machen. Dafür betrachten wir im Gegenzug nicht nur diejenige Partei, welche den Kanzler oder die Kanzlerin stellt, sondern die jeweils regierende Koalition. Zudem lag unser Fokus hierbei lediglich auf den ersten zwölf Monate nach der Wahl.
Im Kern bestätigt die zweite Analyse das Ergebnis der ersten, also längerfristigen, Betrachtung: Wenn die Union den Kanzler oder die Kanzlerin stellte, entwickelte sich der deutsche Aktienmarkt relativ zur Kursentwicklung im Rest der EWU nämlich besser als wenn ein SPD-Kanzler am Ruder war. Wenn die FDP Juniorpartner der Union war, fiel die Entwicklung in Deutschland dabei leicht überdurchschnittlich aus, war es die SPD hingegen leicht unterdurchschnittlich.
Nur ein Blick in die Vergangenheit
Aus den historischen Zahlen ist zu vermuten, dass eine mögliche Ampel-Koalition die Aktienanleger vermutlich zwar nicht in Entzückung versetzen würde, eine Beteiligung der FDP wäre allerdings wohl eine weniger aufgeregte Entwicklung als im Falle von Rot/Grün. Falls es wider Erwarten doch zu einer Rot/Rot/Grünen-Regierung kommen würde, könnte die Nervosität indes sogar noch größer ausfallen als bei Rot/Grün alleine. Bei alledem ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei den drei dargestellten Konstellationen um Mittelwerte aus lediglich drei (Schwarz/Gelb bzw. Schwarz/Rot) bzw. sogar nur zwei (Rot/Grün) Beobachtungen handelt. Damit lassen sie zwar einen interessanten Blick in die Vergangenheit zu, sind jedoch weit entfernt von jeglicher statistischen Relevanz.