Der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine hat erst vor einer Woche begonnen. Doch zeigen sich bereits die ersten Folgen für die globalen Lieferketten, die aufgrund der Coronakrise ohnehin seit Monaten Probleme haben. Das wird an vielen Stellen zu einem Preisanstieg führen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die russische Invasion in die Ukraine hat bereits erste Lieferschwierigkeiten ausgelöst.
- Viele Unternehmen beklagen einen Mangel an Rohstoffen und Zwischenprodukten.
- Eine direkte Folge für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die Wirtschaft ist der Anstieg vieler Preise.
Störungen der Transportwege erschweren die Produktion und führen zu höheren Preisen
Bei der Lieferung von Rohstoffen und anderen Produkten sind erste Engpässe bemerkbar. Zugverbindungen sind beeinträchtigt oder sogar gänzlich unterbrochen. Dasselbe gilt für Flugverbindungen durch die großräumigen Luftraumsperren. Außerdem steuern mehrere Reedereien derzeit keine ukrainischen Häfen mehr an.
Deutsche Unternehmen betrachten die Situation einer Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) zufolge mit großer Sorge: Aufgrund der Unterbrechungen etablierter Handelswege erwarten sie wachsende Schwierigkeiten für das eigene Geschäft sowie deutliche Preisanstiege.
Fast die Hälfte der Befragten schätzen die gegenwärtige Situation als hochbrisant ein, teilte der BME Ende Februar mit. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen erwarten deutlich höhere Einkaufspreise, die die Inflation weiter erhöhen. Dabei dürften insbesondere die Kosten für Weizen, Holz, einige Rohstoffe sowie Energie kräftig anziehen. Darüber hinaus sei mit einer Verteuerung der Endprodukte zu rechnen, so der BME weiter.
Unternehmen suchen alternative Lieferketten
Ein gutes Fünftel der Befragten befürchtet sogar ein vollständiges Zerreißen der Lieferketten als Folge der Auseinandersetzungen. Mehr als 75 Prozent gehen davon aus, dass auf ihre Unternehmen Einschränkungen zukommen beziehungsweise der Beschaffungsaufwand steigt.
Daher wollen fast zwei Drittel der Unternehmen (64 Prozent) der Studie zufolge auf alternative Beschaffungs- und Absatzmärkte ausweichen. Knapp 13 Prozent spielen mit dem Gedanken, ihre ausländischen Direktinvestitionen in Russland und der Ukraine zu reduzieren.
Lieferprobleme in zentralen Versorgungs- und Industriebereichen
Vor allem im Nahrungsmittelsektor sind Versorgungsengpässe zu erwarten, die wiederum die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben könnten: Die Ukraine ist der drittgrößte Exporteur weltweit von Mais und der viertgrößte von Weizen. Zugleich ist Russland der größte Exporteur dieses Getreides. Beide Länder exportieren ihre Ernten über die Häfen des Schwarzen Meers. Das gilt auch für Kasachstan und Rumänien, die zwei weitere große Getreideexporteure sind.
Zudem ist zu erwarten, dass auch die Preise von Metallen und Edelmetallen steigen werden: Russland verfügt über etwa 10 Prozent der weltweiten Kupferreserven und ist zudem ein wichtiger Produzent von Nickel und Platin. Die Nickelpreise sind mit derzeit rund 25.000 US-Dollar pro Tonne bereits auf dem höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren. Auch der Palladiumpreis steigt bereits wieder, nachdem er sich zeitweise von seinen Höchstständen im Zuge der Corona-Pandemie erholt hatte. Dieses Metall wird in der Elektronikbranche für die Herstellung von Chips und in der Automobilindustrie für die Produktion von Katalysatoren verwendet.
Steigende Preise befeuern Inflation erneut
Die Preissteigerung ist ein weiteres zentrales Ergebnis der BME-Umfrage: Aufgrund der Lieferschwierigkeiten erwarten mehr als 90 Prozent der Unternehmen neben einem Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise höhere Produktionskosten. Das führt zu einer Verteuerung der Endprodukte für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Auch die Volkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe erwarten aufgrund des Kriegs in der Ukraine einen erneuten Anstieg der Preise. Der Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Dr. Reinhold Rickes, geht davon aus, dass die Inflationsrate in Deutschland im laufenden Jahr 5,5 bis 6 Prozent betragen wird.