EZB erhöht Leitzinsen – und jetzt?

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Im Juni avisierte EZB-Chefin Christine Lagarde eine Leitzinsanhebung um 25 Basispunkte. Doch die erste Zinserhöhung nach 11 Jahren sollte größer ausfallen. Zuletzt setzte sich an den Märkten mehr und mehr die Erwartung eines ersten Erhöhungsschritts um gleich 50 Basispunkte durch. Und so kam es dann auch.

Der neue Hauptrefinanzierungssatz liegt damit bei 0,50 %, der Einlagesatz bei 0,00 % und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 0,75 %. Dies ist nichts weniger als ein Regimewechsel. Die EZB verließ damit die bizarre Welt der Negativzinsen.

Damit reagiert die Notenbank auf die zuletzt enorm gestiegene Inflation, die im Juni auf einem Rekordwert von 8,6 % für den Euro-Raum liegt. Das Ziel der EZB mit der Zinsentscheidung war es, ein deutliches Signal an den Markt zu senden, dass sie entschlossen gegen die Gefahr einer sich verstetigenden Inflation vorgeht. Um allerdings das Inflationsziel von 2 % mittelfristig zu erreichen, dürften weitere deutliche Zinsanhebungen erforderlich sein.

Für die Marktteilnehmer waren die Aussagen zum weiteren Kurs der EZB entscheidend, mit Spannung erwartete man die Ausführungen zum neuen Instrument TPI (Transmission Protection Instrument) zur Kontrolle von Renditeabständen europäischer Staatsanleihen untereinander (Spreads). Auslöser für die Entwicklung dieses Programms war, dass mit der Ankündigung der geldpolitischen Zinswende durch die EZB die Renditen stark verschuldeter Euro-Länder – wie beispielsweise Italien – massiv nach oben schossen. Zeitweise waren die Renditeabstände zu den Staatsanleihen der stabileren Länder der Eurozone dabei so stark gestiegen, dass Befürchtungen aufkamen, es könne womöglich zu einer neuen Euro-Krise kommen, weshalb die EZB damals eine Sondersitzung einberief. Mit der Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik blicken die Investoren schließlich wieder verstärkt auf die unterschiedlichen Risiken ihrer Anleiheengagements.

Was bedeutet das kurzfristig?

Grundsätzlich profitieren erst einmal Sparer von der Zinswende, so dürften Zinsen auf Tagesgeld- oder Festgeldkonten erst einmal steigen. Betrachtet man die Thematik allerdings aus Sicht der Kaufkraft des Geldes, also das, was ich mir von meinem Geld wirklich leisten kann, so stellt sich die Situation anders dar. Selbst wenn ich als Sparer 1 % auf das Guthaben bekäme – und davon sind wir noch weit entfernt -verliere ich real Geld nach Abzug der Inflation (in Deutschland im Juni 7,6 %). Bei einer Inflation von ca. 7 % und einem hypothetischen Guthabenzins von 1 % verliere ich also 6 % Kaufkraft!

Für Immobilienkäufer ist die Zinswende – die sich bereits seit Monaten auch in den gestiegenen Anleiherenditen niederschlug – dagegen eine schlechte Nachricht, denn die Zinsen für Baufinanzierungen haben sich seit Jahresbeginn verdreifacht.

Die Aktienmärkte haben sich wenig beeindruckt von dem Zinsschritt gezeigt. Während die KGVs (Kurs-Gewinn-Verhältnis) von DAX und Euro Stoxx 50 zuletzt weiter sanken (Dax: KGV 11) und in der jüngeren Historie ausschließlich während der Corona-Krise noch tiefer ausfielen als derzeit, beträgt der Bewertungsaufschlag der US-Valoren hingegen knapp 60 % (S&P500: KGV 17).

Auch wenn die Bewertungen somit teilweise wieder attraktiv scheinen, lohnt ein zweiter Blick. Während der DAX-Kurs einbrach, legten die Gewinnschätzungen zuletzt nämlich noch weiter zu.

Wie geht es weiter?

Wir gehen davon aus, dass weitere Zinserhöhungen der EZB folgen, allerdings sehen wir zum Frühjahr 2023 bei einem neutralen Niveau von 1,50 % für den Einlagensatz die Spitze vorerst erreicht. Für den us-amerikanischen Raum – die Federal Reserve hat wesentlich früher gehandelt – sehen wir den Leitzins-Peak deutlich höher.

Mit sinkenden Preisen im Alltag für Lebensmittel oder Energiekosten ist wohl erst einmal nicht zu rechnen. Das liegt unter anderem an den teils hohen Preisen an internationalen Rohstoffmärkten und auf diese hat die EZB keinen Einfluss. Hinzukommen die Unsicherheiten aus dem Krieg in der Ukraine, die anhaltenden Lieferkettenprobleme, die immer wieder aufflammende Pandemie und nun auch politische Unsicherheiten aus Europa durch die Entwicklung in Italien. Für die Investoren steht nun am 27.Juli 2022 die Sitzung der amerikanischen Notenbank FED an. Auch hier wird aktuell ein größerer Zinsschritt eingepreist. Die Frage wird auch dort sein, wie aggressiv wird die Notenbank vorgehen und riskiert sie damit eventuell ein Abwürgen der Wirtschaft, was eine Rezession zur Folge hätte.

Über die Autorin

Jacqueline Dröge ist Wertpapierexpertin bei der der Förde Sparkasse. Die studierte Betriebswirtin ist seit 15 Jahren in der Wertpapierberatung tätig und arbeitet bei der Förde Sparkasse für die Aktive Depotbetreuung (ADB) im Private Banking.

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