In der Gründungsplanung gibt es Fehler, die verhindern, dass man überhaupt eine Finanzierung bekommt. Es gibt aber auch Fehler, nach denen man sich wünscht, nie eine Finanzierung erhalten zu haben. Dieser Gastbeitrag von Dr. Jan Evers widmet sich der zweiten Gruppe und beschreibt die drei schwerwiegendsten Fehler in der Planungsphase der Selbstständigkeit, die nicht selten auch für das Scheitern des Gründungsvorhabens verantwortlich sind.
Gründungsfehler Nr. 1:
Perfekte Ausstattung vor proof of concept
Nach einem eingeworbenen Bankkredit sitzt das Geld leider häufig locker. Im Plan stehen Ausgaben, die man jetzt auch plangerecht ausgeben will. Dabei werden zwei Dinge unterschätzt:
- Auch die Einnahmen sollten plangerecht sein, bevor das Geld ausgegeben wird.
- Es wird Ausgaben geben, die nicht eingeplant sind. Im schlimmsten Fall steht dann eine wunderschöne Ladeneinrichtung, aber für die Warenbeschaffung fehlt das Geld. Die Innenräume des Kindergartens sind wunderschön gestaltet, aber die Bauabnahme wird nicht erteilt, und weitere Kosten fallen an.
Auch wenn der Bankkredit erst mal tilgungsfrei ist, gilt: Jeder ausgegebene Euro muss später verdient werden. Und jeder zu viel ausgegebene Euro belastet die unternehmerische Freiheit.
Allen, die sich selbstständig machen, rate ich, die Kosten soweit wie möglich zu reduzieren. Konzentriere dich auf das, was unbedingt nötig ist, um geschäftsfähig zu werden. Wenn die Geschäfte dann anfangen zu laufen, werden Kundenwunsch und die damit verbundenen Herausforderungen deutlich. Dann kann auf die Bewerkstelligung derselben geachtet und hier investiert werden. Dafür hat auch der Existenzgründungsberater bei der Bank Verständnis. Zur Not muss die Investitionsliste – vom Realitätstest inspiriert – überarbeitet und nochmal eingereicht werden.
Das alles klingt etwas weniger fancy als „bootstrapping“ oder „lean start up“, ist aber vergleichbarer Natur. Dass viele Experten dieser Tage von Bankkrediten komplett abraten, um diesen Fehler zu verhindern, finde ich zu weitgehend.
Gründungsfehler Nr. 2:
Selbstständig machen, aber viel zu spät Kontakt zum Kunden aufnehmen
Sehr häufig sitzen Gründer vor mir und zeigen stolz ihr fast fertiges Angebotsprospekt oder die fast vollständig programmierte Anwendung. Auf meine Frage, was die potenziellen Kunden dazu sagen, antworten die meisten dann: „Die frage ich erst später, wenn es fertig ist und toll aussieht. Ich will sie nicht verschrecken.“
In den Fällen, in denen es mir nicht gelang, hier gegenzusteuern, führten die ersten Interviews mit Potenzialkunden dann zwar zu Erkenntnissen, was am eigenen Angebot interessant ist und was nicht, wofür in welcher Form Geld bezahlt wird etc. Leider wurde es aber auch teuer, da Anpassungen erforderlich waren, die mindestens Zeit kosteten. Und nachdem ein Kredit erhalten ist, bedeutet Zeit auch immer Geld für Zinsen. In mehreren Fällen war das Umprogrammieren oder Umbauen der Idee so teuer oder langwierig, dass der Gang zum Insolvenzrichter nicht mehr zu vermeiden war.
Anlässlich dieses Beitrags habe ich mal nachgefragt, warum mein Rat damals verhallte. Und ich habe eine wegweisende Antwort bekommen: Gründer denken viel über abstraktes Marketing nach, nicht aber über Verkaufsgespräche. Verkaufsgespräche bergen das Risiko, Kritik zu hören und die eigene Energie zu gefährden. Eine amerikanische Gründerin hätte dazu sinngemäß geschrieben: Fokus on sales, forget marketing.
Auf meine Nachfrage, was man Gründern jetzt raten sollte, kam es wie aus der Pistole geschossen: „Sprich mit Kunden, bevor du dich in dein Produkt verliebt hast. Und mach keinen Hehl daraus, dass du noch nicht zu Ende gedacht hast und kritisches Feedback möchtest.“ Dem kann ich mich nur anschließen.
Gründungsfehler Nr. 3:
Langfristige Verträge ohne Ausstiegsklausel abschließen
Viele, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, machen sich Sorgen, ob ihr Plan aufgeht. Für sie ist es eine Beruhigung, dass zumindest Teile des Plans bereits sicher sind. So werden nicht selten langfristige Ausgabenverpflichtungen getätigt. In Ladengeschäften beispielsweise, oder in Büros und Gastro-Betrieben ist es an der Tagesordnung, dass man von Vermieter und Bank motiviert wird, mindestens 5-Jahresverträge abzuschließen. Dann berichten sie mir ganz stolz, dass sie sogar die Option auf fünf weitere Jahre haben. Auch der Abschluss von Altersvorsorgeverträgen oder das Leasen teurer Autos ist leider keine Seltenheit. Man spare ja Steuern und verbessere seine Außenwirkung damit…
Von Einzelfällen abgesehen (von denen ich nicht viele kenne), sind solche langfristigen Ausgabenverträge immer ein Fehler und sehr risikoreich, weil sie die Chancen auf veränderte Bedingungen zu reagieren, reduzieren.
Daher rate ich all denen, die sich selbstständig machen, immer dazu, auf Ausstiegsklauseln in Mietverträgen zu achten bzw. diese zu verhandeln. Auch wenn das bedeutet, dass die Fläche vielleicht nicht top angepasst oder modernisiert wird. Und ich empfehle, lieber ein gebrauchtes, fünf Jahre altes Auto mit einem Bankkredit zu finanzieren. Das kann man im Zweifel mit begrenztem Verlust weiter verkaufen. Altersvorsorgeverträge sollten auf keinen Fall neu abgeschlossen, sondern eher für die ersten Gründungsjahre „beitragsfrei“ gestellt werden. Denn Kreditrückzahlung liefert die bessere Rendite als Sparverträge.
Nach 10 Jahren Erfahrung in der Gründungsberatung darf ich behaupten, dass diese Fehler wirklich zu den ärgerlichsten Fehlern gehören, die in der Planungsphase der Selbstständigkeit gemacht werden. In Kombination können sie durchaus das psychisch und finanziell kostspielige Aus für die Gründung bedeuten. Und dabei können sie recht einfach vermieden werden. Also nimm sie dir zu Herzen, wenn du dich selbstständig machen willst. Denn: Es gibt noch genug andere schöne Fehler, die Du im Laufe Deiner Gründung oder Selbstständigkeit machen kannst 😉 …
Dass du aber schwerwiegende Fehler wie diese, und viele andere vermeidbare Denk-, Form- oder Rechenfehler gar nicht erst machst, das war natürlich auch Antrieb für uns bei der Entwicklung von SmartBusinessPlan.
>> Dieser Artikel ist im Original auf dem SmartBusinessPlan-Blog erschienen.