Die Zinswende kommt: Das müssen Sie jetzt wissen

2
Zinswende

Die Europäische Zentralbank erhöht erstmals seit 2011 den Leitzins

In Zeiten von Rekordinflation, Lieferengpässen sowie stagnierender Wirtschaft und Krieg in der Ukraine hat die Europäische Zentralbank (EZB) Mitte Juni die Zinswende eingeläutet. Sie beendet ihre milliardenschweren Anleihekäufe und macht den Weg frei für die erste Zinserhöhung im Euroraum seit 2011. Diese Schritte haben weitreichende Auswirkungen in Deutschland und den anderen Ländern des Euroraums.

Was hat die EZB beschlossen und warum?

Der Rat der Europäischen Zentralbank hat Mitte Juni – ausnahmsweise in Amsterdam – beschlossen, im Juli die von vielen Menschen erhoffte Zinswende einzuleiten. Das heißt, die Notenbank beendet ihre Zukäufe von Staatsanleihen und Wertpapieren sowie Unternehmen, ihre Leitzinsen will sie im Juli um jeweils 25 Basispunkte, also 0,25 Prozentpunkte anheben. Das ist die erste Zinserhöhung im Euroraum seit 2011.

Zunächst bleibt der Leitzins aber auf dem Rekordtief von null Prozent. Kreditinstitute müssen für geparkte Gelder bei der EZB vorerst noch Negativzinsen von 0,5 Prozent zahlen.

Für September kündigte EZB-Chefin Christine Lagarde zudem an, dass die Leitzinsen erneut angehoben werden sollen – bei anhaltend hoher Inflation sogar stärker als im Juli. Voraussetzung dafür sei, dass die Prognosen der Zentralbank für 2024 von einer Inflation von 2,1 Prozent oder höher ausgehen.

Was bedeutet dieser Schritt für Verbraucherinnen und Verbraucher?

Die Zinswende der EZB folgt der Geldpolitik der US-Notenbank Fed im Kampf gegen die steigende Inflation. Viele Kreditinstitute überprüfen angesichts der Normalisierung des Zinsniveaus die sogenannten Verwahrentgelte, die sie – meist oberhalb gewisser Freibeträge – für Gelder verlangt haben, die auf Konten geparkt waren.

Außerdem dürften die Sparzinsen bald wieder steigen. Bei einem Guthaben von 50.000 Euro würde eine Zinserhöhung auf ein Prozent Zinseinnahmen von 500 Euro pro Jahr bedeuten. Würde der Sparzins wie zum Beispiel vor 20 Jahren auf 4,1 Prozent steigen, wären es sogar 2.050 Euro Zinsen pro Jahr. Ein solch hoher Anstieg ist aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erwarten.

Und die aktuelle Rekordinflation dezimiert die Kaufkraft der Ersparnisse – durch steigende Preise kann man sich vom Geld auf dem Konto real weniger leisten. Bei der aktuellen Inflationsrate von acht Prozent entstünde selbst bei Sparzinsen von zwei Prozent, ein Verlust von real sechs Prozent. Das ist mehr, als würden bei einer Inflation von drei Prozent die Zinsen wie in den vergangenen Jahren weiterhin null Prozent betragen. Das wäre ein deutlich niedrigerer Verlust von real drei Prozent.

Was bedeutet die Zinswende für die Immobilienfinanzierung?

Besonders für Menschen, die eine Wohnung oder ein Haus erwerben möchten oder deren Immobilienkredite in absehbarer Zeit auslaufen, bringt die EZB-Entscheidung wesentliche Herausforderungen mit sich. Denn mit den Leitzinsen steigen auch die Bauzinsen. Allein im vergangenen halben Jahr sind sie bereits von einem auf drei Prozent für einen regulären Baukredit geklettert. Bleiben die Immobilienpreise auf ihrem aktuellen hohen Niveau, wird der Traum vom Eigenheim immer schwerer zu finanzieren.

Wer etwa noch vor einem Jahr ein Darlehen von 300.000 Euro zu einem Zinssatz von einem Prozent abschloss, zahlte dafür 250 Euro im Monat – ohne Tilgung. Bei drei Prozent Zinsen erhöht sich die Belastung allein aus den Zinsen auf 750 Euro monatlich.

Zinswende

Kann die Zinswende die Rekordinflation bremsen?

Die Leitzinsen sind das klassische Instrument, mit dem Zentralbanken auf die Inflation einwirken können. Mit steigenden Zinsen wird Sparen attraktiver, Kreditfinanzierungen teurer. Das bremst die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – und damit üblicherweise auch den Preisanstieg.

Zudem hat das Vorgehen der EZB einen psychologischen Hintergrund. Wer als Unternehmer mit steigenden Preisen zum Beispiel für Vorprodukte rechnet, wird selbst vorsorglich Aufschläge auf die eigenen Preise einkalkulieren. Wer als Verbraucher mit steigenden Lebenshaltungskosten rechnen muss, wird von seinem Arbeitgeber mehr Lohn fordern. Die Preisanstiege würden sich so immer weiter selbst verstärken. Diese Spirale will die EZB durchbrechen mit ihrem Signal, dass sie den Kampf gegen die Inflation aufnimmt.

Allerdings wirken die Maßnahmen der Notenbank nicht sofort, sondern eher mittel- bis langfristig. Außerdem dürften die Zentralbankzinsen nur langsam steigen und damit vorläufig unter der Inflationsrate bleiben. Damit wird die Inflation noch eine Weile hoch bleiben – wenn auch nicht mehr auf dem aktuellen Niveau von acht Prozent.

Welche Auswirkungen hat das Ende des Anleihekauf-Programmes?

Seit der Schulden- und Eurokrise hat die EZB im großen Stil Staatsanleihen und andere festverzinsliche Papiere auf den Finanzmärkten aufgekauft. Dazu gehören öffentliche Anleihen, aber auch Papiere von Unternehmen. Damit hat sie seit 2015 riesige Summen an Geld in das Finanzsystem gepumpt. Dies tat sie, um es liquide zu halten und das Zinsniveau zu drücken.

Mit der neuen Geldpolitik wird die Notenbank ihr Anleihekaufprogramm auslaufen lassen. Sie hat zwar die monatlichen Zukäufe bereits seit längerem deutlich reduziert – zuletzt auf 20 Milliarden Euro. Doch insgesamt hat sie über die Jahre Anleihen im Wert von mehr als 3,4 Billionen Euro aufgekauft. Hinzu kommen rund 1,7 Billionen Euro für das Corona-Notprogramm.

Mehr als 5,1 Billionen Euro hat die EZB also in Anleihen investiert. Mit dieser Summe ist es ihr zumindest teilweise gelungen, die Euro-Krise zu entschärfen, den Zusammenbruch der Währungsunion zu vermeiden und die schlimmsten wirtschaftlichen Verwerfungen von Finanz-, Schulden- und Corona-Krise abzumildern.

(Stand 23.06.2022)

2 Kommentare

  1. Sehr geehrte Förde-Sparkasse,
    ich danke Ihnen für die Information über die Zinswende. Ich verstehe nicht viel von diesem Beitrag. Was ich aber verstehe ist, daß es um schwindelerregend viel Geld geht und das die Verbraucher scheinbar angeregt werden sollen ihr Geld wieder anzulegen (was ihnen dann vermutlich an anderer Stelle wieder weggenommen wird). Für mich riecht das Ganze nach der Verschleierung eines gigantischen Finanzskandals und nach Schritten hin zu mehr Kontrolle und Abhängigkeit durch die Banken, insbesondere der EZB.
    Ich hoffe, daß dieses System in naher Zukunft von noch viel mehr Menschen durchschaut wird und das endlich bald mal mehr Menschen aufstehen und sich wehren. Ich tue das schon an ganz vielen Stellen.
    Ich nehme an, daß das Finanzsystem sich schon in naher Zukunft zugunsten der Menschen entwickeln wird, denen es heute noch sehr schadet und ich wünsche mir, daß auch die Förde-Sparkasse ihren Beitrag dafür leistet.

    Mit freundlichen Grüßen
    Anja Kiesow

    • Hallo Frau Kiesow,
      vielen Dank für Ihre Anmerkung. Wir müssen Sie allerdings enttäuschen: Es gibt keinerlei Verschleierung und auch keinen Finanzskandal. Es ist ganz einfach so, dass die EZB in ihren Gremien die Leitzinsen festsetzt und die Banken und Sparkassen sich zu diesem Zins das Geld beschaffen können. Diese Zinsveränderungen werden dann an die Kund:innen weitergegeben. Steigt der Zins der Zentralbank, erhöhen sich im Normalfall die Zinsen die festverzinsten Schuldverschreibungen und Anleihen von neu emittierten Papieren und ebenso die Zinsen für neue Kredite. Sinkt der Leitzins, verhält es sich genau andersherum. Was bedeutet dies nun für Sie als Anlegerin, vor allem wenn der Leitzins weiter erhöht wird: Pauschal gesagt, steigen damit mittelfristig auch die Zinsen bspw. für das angelegte Geld auf Ihrem Kapitalkonto. Gleichzeitig verlieren Investitionen in Wertpapiere etwas an Attraktivität. Aber Vorsicht: Niemand kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt sagen, ob die EZB wirklich sukzessive den Leitzins in den kommenden Jahren um weitere Prozentpunkte erhöhen wird bzw. kann. Viele Argumente sprechen nämlich auch dagegen, wie etwa die hohen Staatsverschuldungen der EU Staaten, die sich das Geld nunmehr für höhere Zinsen leihen müssen. Hinzukommt: Bei einer Inflationsrate von aktuell knapp 8 Prozent (Tendenz zunächst gleichbleibend), bleiben Anlagen in Wertpapiere weiterhin eine sehr gute Wahl, um mit dem Geld Rendite zu erwirtschaften. Da sich aktuell die Börsenindizes aufgrund der unsicheren geopolitischen Wetterlage im Tiefflug befinden, ist aus unserer Sicht das Fondssparen durch einen ratierlichen Einstieg das Mittel der Stunde. Vergessen Sie aber nicht: Investitionen in Wertpapiere können im schlechtesten Fall auch zum Totalverlust führen. Diesen Umstand sollten Sie bei Ihrer Anlagestrategie immer berücksichtigen. Darum empfehlen wir Ihnen wie allen unseren Kund:innen dringend ein Beratungsgespräch mit unseren Kundenberater:innen zu vereinbaren.

KOMMENTAR SCHREIBEN (Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.)

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein