Die Diskussion um digitales Zentralbankgeld wird konkreter. Doch das Tempo machen andere: China testet bereits den digitalen E-Yuan. Facebook will mit Libra eine eigene digitale Währung auf den Markt bringen. Wie steht es aktuell um den digitalen Euro? Die Antworten.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Europäische Zentralbank arbeitet an einer digitalen Währung, die das Bargeld ergänzen soll
- Die Währung soll das Bezahlen im Internet einfacher und vor allem schneller machen
- Nicht nur Europa will digitales Geld auf Markt bringen: China und auch Facebook arbeiten an einer E-Währung
Sekundenschnelle Geldüberweisungen – und zwar weltweit: Das ist nur eine der Hoffnungen, die der digital programmierbare E-Euro erfüllen soll. Der Weg dorthin ist für die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch noch weit. Es brauche zunächst umfassende Beratungen und Vorprüfungen, fasst Spaniens Notenbankchef Pablo Hernández de Cos den aktuellen Stand zusammen. Europa prüft noch, China testet bereits.
Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den digitalen Euro.
Was ist der digitale Euro?
Beim digitalen Euro geht es um die Überführung von physischem Bargeld in die digitale Welt. Derzeit prüft die EZB, ob und unter welchen Voraussetzungen dieses digitale Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC) eingeführt werden könnte. Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde werde eine Taskforce in den kommenden Wochen erste Ergebnisse vorstellen. Lagarde betonte, wie wichtig es ist, das Vertrauen in die Währung zu stärken: „Das bedeutet sicherzustellen, dass der Euro fit ist für das digitale Zeitalter. Wir sollten vorbereitet sein, einen digitalen Euro bereitzustellen, sollte der Bedarf aufkommen.“
Zahlreiche Punkte sind offen – etwa, ob das digitale Geld nur Banken oder auch für den allgemeinen Gebrauch bereitgestellt wird. Ebenfalls zu klären: Soll die CBDC über eine verteilte Datenbank (z. B. Blockchain) oder ein konventionelles Datenbanksystem ausgegeben werden? Einigkeit herrscht hingegen darin, dass ein mögliches Digitalgeld das Bargeld ergänzen, aber keinesfalls ersetzen soll.
Blockchain
Die Blockchain-Technologie speichert Datenblöcke hintereinander ab – wie der Name sagt, in einer Block-Kette. Die Datenbank ist eine verteilte Datenbank und liegt somit nicht nur auf einem Server. Alle Teilnehmenden des Blockchain-Systems haben eine vollständige Kopie der Datenbank auf ihrem Rechner. Fälschungssicher wird die Blockchain, da jeder neue Datenblock mit dem vorherigen verbunden ist – und eine nachträgliche Veränderung somit nicht mehr möglich ist. Mehr erfahren
Was soll der digitale Euro bringen?
Einer der größten Vorteile wären sekundenschnelle und kostengünstige Überweisungen – auch über Landesgrenzen hinweg. Heute benötigen Überweisungen nach China häufig länger als der eigentliche Warentransport. Hinzu kommen Vorzüge wie Kleinstüberweisungen (Micro Payments) oder Automatisierung von Transaktionen, wie sie beispielsweise im Rahmen des Internet der Dinge (IoT) Anwendung finden können.
Ein Beispiel: Mit dem Internet verbundene Maschinen könnten automatisiert am Zahlungsverkehr teilnehmen – und selbstständig Umsätze und Kosten buchen. Auch mit Blick auf künftige Innovationen im Bereich Industrie 4.0 befürworten große Teile der Industrie die Einführung eines digitalen Euros.
So könnte in der Zukunft ein Kühlschrank bemerken, dass die Milch-Packung leer ist. Das mit dem Internet verbundene Gerät bestellt deshalb neue Milch. Bezahlen kann man diese dann mit dem E-Euro.
Welche Rolle spielt der Faktor Zeit?
Eine sehr große. Denn andere drücken aufs Tempo. China testet bereits seine staatliche Digitalwährung – Chinese Digital Currency Electronic Payment (DCEP). In vier Städten kommen probeweise Apps zum Einsatz, mit denen in E-Yuan bezahlt werden kann. Zudem erhalten die Menschen einen Teil ihrer staatlichen Leistungen in der neuen Digitalwährung.
Facebook kündigte bereits vor einem Jahr die Einführung seiner digitalen Währung Libra an – und stieß damit auf allgemeinen Widerstand bei Politikern und Notenbankern. Sie sahen in dem Projekt den Angriff eines Privatunternehmens auf das staatliche Währungsmonopol – und kündigten eine starke Regulierung von privaten Digitalwährungen an.
Warum zögert die EU mit der Einführung digitaler Währungen?
Die Finanzminister der fünf größten Eurostaaten Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und der Niederlande haben sich gegen einen digitalen Schnellschuss ausgesprochen. Kryptowährungen dürften nicht eingeführt werden, bevor nicht alle damit verbundenen Risiken auch in der Gesetzgebung angemessen berücksichtigt worden sind. Auch der Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, sieht vor ersten konkreten Schritten noch Informationsbedarf.
Um die Finanzmarktstabilität zu sichern, müsse es ein „sehr klares“ Regelwerk geben, so Bundefinanzminister Olaf Scholz (SPD). Hinzu kommen weitere zu klärende Aspekte wie der Datenschutz und die IT-Sicherheit. Ein digitaler Euro benötigt eine absolut sichere technische Infrastruktur. Auch hier gibt es noch reichlich Klärungsbedarf.
Wie geht es jetzt weiter?
Der IT-Branchenverband Bitkom möchte das Tempo bei der Erprobung eines digitalen Euros erhöhen, damit Europa in diesem Bereich nicht digital abgehängt wird. Unterstützung kommt auch aus der Wissenschaft – in einem offenen Brief skizzieren zahlreiche Wirtschaftsexperten eine Roadmap für einen „digital programmierbaren Euro“ bis 2024.
Dagegen mahnen die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe, dass vor einer Einführung von digitalem Zentralbankgeld kritisch die gesamtgesellschaftlichen Wirkungen überdacht werden müssen: „Die Auswirkungen auf den Banken- und den Finanzsektor, die gesellschaftliche Akzeptanz und die geldpolitischen Optionen der Zentralbank hängen entscheidend von deren Ausgestaltung ab.“
Die nächste entscheidende Wegmarke hin zum digitalen Euro dürften die Ergebnisse der EZB-Taskforce in den kommenden Wochen sein. EZB-Präsidentin Lagarde hat angekündigt, dass die Zentralbank ab dem 12. Oktober die Einführung eines digitalen Euros testen will. Dann beginnt ein öffentliches Konsultationsverfahren sowie eine Experimentierphase.
Erst anschließend lässt sich eine verlässlichere Einschätzung geben, ob es Europa gelingen kann, den aktuellen Rückstand auf E-Yuan, Libra und andere digitale Währungen in der Konzept- und Testphase aufzuholen. Mit Sicherheit ist das Rennen für die Europäische Union um künftige effiziente digitale Bezahldienste noch nicht verloren. Doch wer am Ende um den Sieg mitsprinten möchte, sollte nach einem verschlafenen Start umso entschlossener loslaufen.