Die Kindergrundsicherung kommt. Darauf hat sich die Bundesregierung verständigt. Das Vorhaben hatten die drei Regierungsparteien SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP bereits im Koalitionsvertrag festgehalten. Es zielt darauf ab, dass weniger Kinder in Deutschland in Armut leben müssen, und soll zugleich bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen. Dabei wird die Unterstützung auf jene konzentriert, die sie am meisten Zuwendung brauchen. Was der vom Familienministerium verkündete „Neustart der Familienförderung“ bedeutet und ab wann er greift.
Der Plan umfasst zwei Abschnitte. Konkret heißt das:
- Es gibt einen Kindergarantiebetrag. Dieser ist einkommensunabhängig und war bislang als Kindergeld bekannt. Neu ist, dass volljährige Kinder den Betrag direkt erhalten sollen.
- Neu eingeführt wird der Kinderzusatzbetrag. Dieser soll nach Alter gestaffelt werden und vom Einkommen der Eltern oder Erziehungsberechtigten abhängig sein. Dieser soll auch für Kinder gezahlt werden, deren Eltern oder Erziehungsberechtigte Bürgergeld erhalten.
Insbesondere die Anrechnung von Kindergeld ändert sich, was vor allem Alleinerziehenden dienen soll: Unterhaltszahlungen werden bislang zu 100 Prozent als Einkommen angerechnet. Künftig soll dies nur noch zu 45 Prozent der Fall sein.
Der Anspruch soll künftig einfach digital geprüft werden können. Der Plan ist laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), dass Eltern oder Erziehungsberechtigte ihr Kind anmelden, die Kindergrundsicherung beantragen, einem Datenabgleich zustimmen und dann den Kindergarantiebetrag plus gegebenenfalls den Kinderzusatzbetrag erhalten. Zum Start der Neuregelung rechnet Paus mit einer Erhöhung der Beträge und Regelsätze.
Ab wann gilt die Kindergrundsicherung?
Das sind jedoch erst vorläufige Eckpunkte. Nun würden noch Verbände und die Bundesländer beteiligt. Erst dann wird über einen finalen Gesetzentwurf entschieden. Die Regierung rechnet dennoch damit, dass dieses zu 2025 greift. Die Kosten liegen voraussichtlich bei 2,4 Milliarden Euro.
In der Bundesregierung herrschte trotz der prinzipiellen Übereinkunft aus dem Koalitionsvertrag keine Einigkeit darüber, wie viel Geld für die Kindergrundsicherung aufgewendet werden soll. Unterschiedliche Ansichten hatten dabei insbesondere Familienministerin Lisa Paus von den Grünen und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Paus hatte zunächst mit 12 Milliarden Euro im Jahr gerechnet, Lindner nur 2 Milliarden zugestehen wollen. Um für ihr Projekt mehr Mittel zu gewinnen, blockierte Paus vor wenigen Tagen das Wachstumschancengesetz. Geeinigt haben sich die beiden am Sonntagabend im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Wie viele Kinder leben in Armut?
Armut bei Kindern spielt eine wichtige Rolle für die Kindergrundsicherung. Doch wie viele Kinder sind davon betroffen? Genau genommen wird die Armutsgefährdung erfasst. Das heißt, die Familie beziehungsweise der Haushalt, in der oder dem die Kinder leben, hat ein relativ geringes Einkommen. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verdient. Das Medieneinkommen ist die exakte Mitte aller Haushalte, sortiert nach Einkommenshöhe. Dieser Schwellenwert lag für das Jahr 2021 bei 1.250 Euro netto (Einkommen abzüglich Steuern und Sozialbeiträge, aber inklusive Sozialleistungen) für eine alleinlebende Person, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Dieser Schwellenwert hängt jedoch davon ab, wie viele Menschen in einem Haushalt leben und wie alt sie sind. Dabei wird damit gerechnet, dass Kinder weniger Geld benötigen als Erwachsene. Der erste Erwachsene hat einen Faktor von 1. Weitere Erwachsene und Kinder ab 14 Jahren werden nur mit einem Faktor von 0,5 berücksichtigt, also nur halb so viel Geld wie der erste Erwachsene. Kinder unter 14 Jahren werden nur mit einem Faktor von 0,3 gewertet.
Haushalt | armutsgefährdet ab einem Haushaltseinkommen* von | Berechnung |
---|---|---|
1 Erwachsener | 1.250 Euro/Monat | |
2 Erwachsene | 1.875 Euro/Monat | 1.250 * (1 + 0,5) |
2 Erwachsene + 1 Kind (< 14 J.) | 2.250 Euro/Monat | 1.250 * (1 + 0,5 + 0,3) |
2 Erwachsene + 1 Kind (ab 14 J.) | 2.500 Euro/Monat | 1.250 * (1 + 0,5 + 0,5) |
2 Erwachsene + 2 Kinder (< 14 J.) | 2.625 Euro/Monat | 1.250 * (1 + 0,5 + 0,3 + 0,3) |
2 Erwachsene + 3 Kinder (2 Kinder < 14 J., 1 Kind ab 14 J.) | 3.250 Euro/Monat | 1.250 * (1 + 0,5 + 0,3 + 0,3 + 0,5) |
1 Erwachsener + 1 Kind (< 14 J.) | 1.625 Euro/Monat | 1.250 * (1 + 0,3) |
1 Erwachsener + 1 Kind (ab 14 J.) | 1.875 Euro/Monat | 1.250 * (1 + 0,5) |
Somit ergibt sich, dass in Deutschland 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren als armutsgefährdet gelten. Das sind knapp 15 Prozent der Altersgruppe.
Kinderarmut hängt von der Herkunft ab
In Deutschland ist der Anteil zuletzt der armutsgefährdeten Kinder etwas gesunken. Allerdings lag er für Kinder mit in Deutschland geborener Eltern niedriger als für Kinder, deren Eltern im Ausland geboren wurden. Das geht aus Daten von Eurostat hervor.
Die direkteste Maßnahme, um Kinder vor Armut zu schützen, ist das Kindergeld. Dies beträgt seit dem 1. Januar 2023 für jedes Kind 250 Euro. 2008 lag der Betrag bei 154 Euro. Zwar gab es neben dem Kindergeld und dem Kinderfreibetrag eine ganze Reihe weiterer Fördermaßnahmen. Doch diese werden oftmals von den Berechtigten nicht in Anspruch genommen, weil sie kompliziert zu beantragen sind, zu wenige Menschen davon wissen oder auch die Scham zu groß ist.
Kinderarmut hat vielfältige Folgen. Die Bertelsmann Stiftung nennt in ihrer Studie „Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche “ unter anderem:
- Materielle Lage: schlechtere Wohnsituation, weniger gute Ernährung, seltener Urlaube, häufiger Nebenjobaufnahme durch die Jugendlichen
- Soziale Lage: Angst vor Stigmatisierung und Ausgrenzung, weniger finanzielles „Mithalten-Können“ mit Altersgenossen
- Kulturelle Lage: wechseln häufiger in die niedrigeren oder mittleren Bildungsstufen des Sekundarbereichs, sind seltener in Vereinen und außerunterrichtliche Schulprojekten aktiv
- Gesundheitliche Lage: leiden häufiger unter Schlafstörungen, Unkonzentriertheiten und Nervosität
Nicht jede Folge ist dabei ausschließlich bedingt durch die finanzielle Situation und sie betreffen nicht jedes Kind aus ärmeren Verhältnissen – aber in der Summe aller Kinder eben häufiger. Die Kindergrundsicherung will hier ansetzen und unter anderem Maßnahmen, die es schon gibt, bündeln sowie leichter zugänglich machen.