Drei Fragen an Deka-Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater zum zwanzigjährigen Jubiläum der Einführung des Euro-Bargelds am 1. Januar 2022
Nach der Einführung vor 20 Jahren bekam der Euro schnell den Spitznamen ‚Teuro‘ – zurecht
Das ist eine Legende, auch wenn beispielsweise der Einzelhandel oder Restaurants die Einführung genutzt haben, um die Preise anzuheben. Das war natürlich für die Verbraucher spürbar. Vor allem auch, weil seinerzeit die Menschen noch sehr viel mit Bargeld zahlten. Es stieg aber nur die in Umfragen ermittelte „gefühlte Inflationsrate“ stark an und diese Preiserhöhungen betrafen auch nur einen kleinen Teil des privaten Verbrauchs. Bei dem vom Statistischen Bundesamt berechneten Verbraucherpreisindex ließ sich ein solcher Effekt nicht beobachten. De facto lag im Jahr 2002 die Inflationsrate in Deutschland bei 1,3 Prozent. Auch in den Jahren danach hatte der Euro eher mit zu niedrigen als zu hohen Inflationsraten zu kämpfen. Der Durchschnitt aller jährlichen Inflationsraten im Euroraum seit 2000 lag bei 1,7 Prozent. Bislang ist der Euro also kein Teuro, sondern ein Stabilo. Die gegenwärtigen Preisturbulenzen müssen natürlich beobachtet werden. Bisher dauern sie aber noch nicht lange genug an, um dieses Urteil anzufechten.
Stimmt es, dass gerade Deutschland vom Euro profitiert?
Deutschland ist auf jeden Fall ein Profiteur des europäischen Binnenmarktes. Er ermöglicht den deutschen Firmen einen großen Absatzmarkt für ihre Produkte. Damit verbunden entstanden in Deutschland viele Arbeitsplätze. Deswegen gehen die ewigen Diskussionen um den „Nettobeitrag“ Deutschlands zur EU-Kasse am Thema vorbei, denn diese „Nettobeiträge“ zahlen sich für den deutschen Staat in Form von höherem Wirtschaftswachstum und damit höheren Steuereinnahmen aus. Die Eintrittskarte zu diesem ‚Wohlstandspark‘ ist aber nun mal nicht kostenlos. Deutschland ist mit seiner Wirtschaftskraft ein wesentlicher Garant für die Stabilität des Währungsraums und muss Verantwortung übernehmen – zum Beispiel bei Finanzkrisen. Das hat man in der Eurokrise gesehen, als alle anderen Eurostaaten Griechenland Kredite zur Verfügung stellte. Hier hat Deutschland einen entsprechend großen Beitrag geleistet. Einen weiteren Preis, den Deutschland für den Binnenmarkt und die Binnenwährung zahlt, ist die Abgabe von Währungssouveränität: Die Entscheidungen fällen jetzt Zentralbanker aus ganz Europa im Europäischen Zentralbankrat und nicht mehr allein die Deutsche Bundesbank. Dadurch sind viele traditionelle geldpolitische Vorstellungen aus Deutschland unter die Räder gekommen.
Könnte die aktuell hohe Inflation das Vertrauen in einen stabilen Euro gefährden?
Zu hohe Inflationsraten untergraben auf Dauer das Vertrauen in jede Währung. Bislang waren die Inflationszahlen aber viel zu kurzlebig, um einen Vertrauensverlust in den Euro auszulösen. Wenn sich die höhere Inflation in den kommenden Jahren als hartnäckiger erweisen sollte als gegenwärtig allgemein erwartet wird, und wenn die EZB keine Maßnahmen dagegen ergreift, dann nähme das Vertrauen in den Euro einen empfindlichen Schaden.