Unser Blick auf die Märkte: Angst vor dem Delta-Blues

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Auge Abstrakt

Die Weltwirtschaft brummt wieder. Doch die aus Indien importierte Corona-Deltavariante könnte für einen gewissen Rückschlag auf dem Weg zur Überwindung der Pandemie sorgen. Das Risiko, dass sich die Wirtschafts- und Gewinndynamik künftig verlangsamt, hat zugenommen. Insgesamt zeigten sich die Märkte aber zuletzt mehr als robust. Trotz großer Diskussionen um den möglichen Zeitpunkt des Einstiegs in den Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik in den Vereinigten Staaten. Aber an den Börsen wird die Zukunft gehandelt. Und wenn es kaum mehr besser werden kann, lohnt es sich, auch mal den einen oder anderen Gewinn zu realisieren. Zumal aktuell die Zeit der temporären „Sommerflaute“ nun mit großen Schritten näher rückt.

Wann kommt die Zinswende?

Spätestens seit der Sitzung der US amerikanischen Währungshüter (FOMC) Mitte Juni ist die Nervosität unter den Anlegern spürbar gestiegen. Die Währungshüter behielten das Zielband für den Tagesgeldsatz zwar bei 0,00 % – 0,25 %. Zudem bekräftigten sie, ihre Anleihebestände bis auf weiteres um mindestens 80 Mrd. USD/Monat für US-Staatstitel und 40 Mrd. USD/Monat für hypothekenbesicherte Wertpapiere aufzustocken. Die jüngsten Leitzinsprojektionen hat die Anleger aufgeschreckt. Schließlich geht die Mehrheit der Notenbanker nun bereits von einer Zinswende im Jahr 2023 – und nicht wie zuvor – erst 2024 aus. Sieben der 18 FOMC-Teilnehmer halten eine solche sogar schon in 2022 für angebracht.

Wertpapiere bleiben alternativlos

Im Laufe der vorangegangenen Wochen war an den Aktienmärkten daher wieder mehrfach der schon seit Monaten immer wiederkehrende Reflex zu beobachten: das temporär gedrückte Aktienkursniveau nutzen die Anleger zu Käufen oder Nachkäufen. Trotz der mittelfristig drohenden Zinswende machten die Anleger hiermit zuletzt schließlich immer wieder positive Erfahrungen. Dank des übergeordneten TINA-Arguments („there is no alternative“) lohnte sich ein Engagement in Aktien im Vergleich zu Anleihen zuletzt schließlich regelmäßig. Die Frage, bis wann die Leitzinswende ansteht – bzw. viel früher noch – wann die Fed zum Einstieg in den Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm bläst und damit das sogenannte „Tapering“ startet, dürfte die Anleger wohl noch einige Zeit beschäftigen.

Es brummt wieder etwas in Deutschland

Die Formkurve der deutschen Konjunktur zeigt immer weiter nach oben. Die jüngst vermeldeten Markit-Einkaufsmanagerindizes für Deutschland mit 64,9 Zählern für das Verarbeitende Gewerbe sowie 58,1 Zählern für den Dienstleistungssektor toppten die jeweiligen Erwartungen (63,0 respektive 55,5) um Längen. Der aus beiden Segmenten ermittelte Composite-Index verbesserte sich dadurch auf 60,4 Punkte nach 56,2 Zählern im Mai. Und auch das zuletzt vermeldete ifo-Geschäftsklima fiel mit 101,8 Punkte besser aus als erwartet (100,6) und notiert damit zum ersten Mal seit April 2019 wieder oberhalb der Marke von 100.

Angst vor dem Delta-Blues

Die Impfkampagne schreitet hierzulande immer weiter voran. Die Inzidenzen sind so niedrig wie seit langem nicht mehr. Die Corona-bedingten Restriktionen werden nach und nach aufgehoben. Der Blick nach Großbritannien zeigt allerdings wie gefährlich es ist, die Pandemie vorschnell abzuhaken. Obwohl die Impfquote im Vereinigten Königreich noch höher liegt als in Deutschland, legte die Inzidenz dort zuletzt wieder deutlich zu. Hierfür gilt die aus Indien importierte Deltavariante als hauptursächlich. Diese Corona-Mutation ist deutlich ansteckender als die bisherigen Virustypen. Zudem fällt auch der Wirkungsgrad der bislang verimpften Vector-Vakzine schwächer aus. Verglichen mit Großbritannien hat die Deltavariante in Deutschland noch einen geringeren Anteil. Jener steigt derzeit jedoch rasant. Die jüngste vom RKI offiziell vermeldete Zahl bezog sich auf die letzte Juniwoche mit einem Anteil von bereits rund 37 %. Es dürfte es wohl nur eine Frage von Wochen sein, bis dieser Virustyp auch hierzulande dominiert und die Inzidenzzahlen wieder anziehen.

Saisonal schwierigere Phase bis Oktober

Am Ende nähern wir uns nun mit großen Schritten der saisonal schwierigsten Phase des Jahres. Dabei gehört der nun anbrechende Juli eigentlich noch zu den besseren Monaten des Jahres. Seit dem DAX-Start im Jahr 1988 erbrachte dieser eine Durchschnittsperformance von 1,44 %. Er liegt damit auf Rang fünf. Lediglich in den Monaten Oktober (1,86 %), Dezember (2,39 %), November (2,63 %) und April (2,93 %) entwickelte sich der deutsche Blue-Chip-Index im Mittel noch besser. Ermittelt man jedoch den durchschnittlichen DAX-Jahresverlauf, erkennt man, dass der Juni bereits so etwas wie den Übergang hin zur „Sommerflaute“ darstellt und daher einen zweigeteilten Charakter besitzt. Im Mittel aller 33 abgeschlossenen DAX-Jahre markierte der Index sein Verlaufshoch nämlich bereits am 16. Juli. Die zweite Monatshälfte war daher bereits Teil der „Sommerflaute“ – also derjenigen Phase, in welcher der DAX einen Gutteil seiner vorherigen Kursgewinne wieder abgab – und welche typischerweise bis zum 2. Oktober dauerte.

Florian UnrauÜber den Autor:  Florian Unrau ist bei der Förde Sparkasse Leiter der Aktiven Depotbetreuung. Er berät mit seinem fünfköpfigen Team Kunden individuell bei der Suche nach der optimalen Anlagestrategie.

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