Zweite Welle oder Dauerwelle

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Woran wird für jeden sichtbar, wie ernst die Lage in den USA inzwischen ist? Da genügt ein Bild: Donald Trump mit Maske. Auch der US-Präsident konnte irgendwann nicht mehr leugnen, dass die Covid-19-Welle nach dem Großraum New York, Kalifornien und Seattle inzwischen über den Rest der Vereinigten Staaten rollt. Fast sechs Millionen Amerikaner sind erkrankt, mehr als 175.000 bereits infolge des Virus gestorben.

Und dabei ist es oft immer noch die Welle Nummer eins, die in den USA, in Brasilien, Indien oder Großbritannien so viele Opfer fordert – oder vielmehr: „eine „Dauerwelle“, die immer wieder hoch- und runtergeht”, so der Bonner Virologe Hendrik Streeck. In den USA verlagerte sich das Geschehen dabei vom Großraum New York inzwischen in Staaten wie Florida oder Texas. Auch deswegen, weil die Ansteckungsdynamik mangels Maskenzwang und durch zu schnelle Öffnungen der Wirtschaft nicht effektiv genug eingedämmt wurde. Auch in anderen stark betroffenen Weltregionen ist die Zahl der Fälle nach zwischenzeitlicher Entspannung wieder angestiegen. Zuletzt pendelte sich die Zahl der Neuinfizierten weltweit bei mehr als 200.000 Menschen am Tag  ein.

Und anders als bei den Seuchen der letzten Jahrzehnte sind die meisten Industrieländer ähnlich stark betroffen wie Schwellen- oder Entwicklungsländer. In den global stark vernetzten Ländern USA, Italien oder Frankreich liegen die Infektionsraten sogar deutlich höher als in vielen Staaten Afrikas oder Asiens. Allerdings müssen auch in den Industrieländern nicht überall gleich viele Menschen an Covid-19 sterben. Gemessen an der Bevölkerung sind es etwa in Großbritannien sechsmal mehr Tote als in Deutschland. In Belgien gar fast zehnmal so viele wie hierzulande. Ein relativ frühzeitiger und konsequenter Lockdown und ein gutes Gesundheitssystem hat Deutschland geschützt. 

Der Preis, um sich vor dem Virus zu schützen, ist auch für die Wirtschaft hoch. Deutschland hat bislang zwar erfolgreicher als viele andere Länder durch die Krise manövriert. Doch die Maßnahmen haben die Konjunktur so stark abstürzen lassen wie zu Lebzeiten der meisten Menschen noch nie. „Nun ist sie amtlich – die Jahrhundert-Rezession”, stellt Andreas Scheuerle fest. Der Leiter Konjunktur Industrieländer bei der Deka bilanziert, dass Corona das deutsche Bruttoinlandsprodukt innerhalb nur eines Quartals um 10,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal abstürzen ließ.

Allerdings ist die Jahrhundert-Rezession auch eine Turborezession. Und das ist inzwischen der Lichtblick in dieser Katastrophe. In Deutschland begann der starke Absturz im März mit dem Shutdown des Landes und fast aller wichtiger Handelspartner. „Aber schon im April wurde der Tiefpunkt erreicht“, so Scheuerle. Seit Mai geht es nun wieder aufwärts. Die deutsche Autoindustrie konnte beispielsweise bereits im Juli wieder annähernd das Produktionsniveau vom Vergleichsmonat des Vorjahres erreichen.

„Es wäre sehr schade, wenn jetzt ein zweiter Lockdown notwendig würde”, warnt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka. „Nochmals erhebliche Kosten für die Wirtschaft und eine weitere heftige Zumutung für die Bevölkerung“ sieht der Experte als Folge. Und auch „die Aktienmärkte würden wohl mit einem deutlichen Rückgang reagieren“; wenn auch nicht von Dauer. Darum bleibe Umsicht angebracht.

Denn das Virus ist nicht weg – sondern lauert auf den Leichtsinn von Urlaubern, Party-People, S-Bahn-Fahrern oder Bandarbeitern. Auch in Ländern, die Covid-19 erfolgreich eingedämmt haben, könnte darum der ersten Welle schnell eine massive zweite folgen. In Katalonien, Manchester oder Tokio mehren sich schon die Zeichen dafür – mehr als ein Viertel von 208 Ländern der Welt steckt in neuen Virus-Kämpfen.

Besser gerüstet für die nächste Runde

„Eine zweite Welle könnte wirtschaftlich schädlicher sein als die erste Welle. Denn viele Unternehmen sind angeschlagen, haben hohe Schulden und kaum mehr Rücklagen“, betont Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Vor einem flächendeckenden Lockdown wie im April warnen auch Ökonomen des DIW oder der Weltbank.

Nach dem 1:0 im Duell „Virus gegen Menschheit” scheint unsere Spezies aber für Teil II besser gewappnet. Corona-Krisenpläne haben überall ihre ersten Härtetests bestanden; beispielsweise durch die schnelle Isolierung von Ansteckungsherden wie Schlachthöfen, Schulen oder Bauernhöfen. Zudem helfen in vielen Ländern Warn-Apps, Ansteckungsketten frühzeitig zu identifizieren. Und das Gros der Menschen hat begriffen, dass Masken, Abstand, Husten in die Armbeuge und im Zweifel Quarantäne helfen, dem Virus die Stirn zu bieten.

Eine zweite Welle müsste also nicht zwangsläufig das 2:0 mit dem abermaligen Herunterfahren fast der ganzen globalen Wirtschaft bringen. Denn viele Unternehmen haben mit Homeoffice, Social Distancing bei allen Arbeitsschritten sowie umfangreichen Hygienekonzepten die Arbeitsfähigkeit hergestellt. Zudem sind inzwischen schon erste Medikamente zur Behandlung Erkrankter zugelassen. Verschiedene Impfstoffe stehen in Massentests, darunter einer des deutschen Unternehmens Biontech. Firmen in Russland und Indien wollen sogar schon Ende 2020 beginnen, Hunderte Millionen Dosen eines Impfstoffes herzustellen.

Die Russen haben gar Anfang August ihren ersten Impfstoff präsentiert, der nun bereits Tausenden dortiger Lehrer oder Medizinern verabreicht werden soll. Das Prestigeprojekt „V-Sputnik“ ist allerdings zuvor nicht an größeren Testgruppen auf Wirksamkeit oder Nebenwirkungen geprüft worden – ein Verfahren, das in Europa nicht zulassungsfähig wäre. Aber auch hierzulande sind Experten zuversichtlich, dass es um die Jahreswende einen sicheren Impfstoff geben könnte.

Mindestens bis dahin werden aber in jedem Fall Dutzende Millionen Menschen rund um den Globus nicht zur Arbeit gehen können. Gerade in Touristik, Luftfahrt, Gastronomie oder Veranstaltungsbranche bleiben weite Teile der Umsätze aus. Umsätze und Gewinne, die für immer verloren sind. Der internationale Luftfahrtverband Iata rechnet etwa mit bis zu 113 Milliarden Dollar Verlust, den die Fluggesellschaften 2020 weltweit im Passagiergeschäft erleiden werden. Ein leerer Sitz im Flugzeug kann morgen schließlich nicht mehr verkauft werden.

In Bereichen wie der Autoindustrie oder dem Maschinenbau wird Konsum dagegen nachgeholt. Digital vernetzten Geschäftsmodellen wie Onlinehandel, Videotelefonie oder Fernwartung hat der Shutdown sogar einen Boom beschert. Das US-Auktionshaus Ebay rechnet für 2020 mit einem Nettoumsatz von bis zu 10,75 Milliarden Dollar – 14 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Und der Umsatz der Videoconferencing-Firma Zoom wird sich nach der neuesten Prognose mit bis zu 1,8 Milliarden Dollar gegenüber dem vergangenen Geschäftsjahr verdreifachen.

Die Politik des billigen Geldes hält an

Dazu kommt die anhaltende Politik billigen Geldes. Auf Kredit zu kaufen bleibt günstig wie nie, ob es nun der neue Fernseher ist, ein Auto oder gleich ein ganzes Haus. Ein zehnjähriges Darlehen von 200.000 Euro für eine Immobilie mit 350.000 Euro Wert bieten manche Vermittler schon für rund 0,3 Prozent Zinsen an. Dieses billige Geld stützt den Konsum – und damit auch die Firmen, die diese Waren anbieten. Und nicht zuletzt tragen die billionenschweren staatlichen Konjunkturprogramme mit Zuschüssen und Kaufanreizen zur Belebung der gebeutelten Wirtschaft bei.

Mit Blick auf Deutschland stellt Scheuerle aber klar: „Bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht wird, muss man sich sehr wahrscheinlich bis zum Jahresende 2021 gedulden.“ In Italien oder Frankreich könnte es gar noch länger dauern, China dagegen erholt sich bereits jetzt. Im Juli etwa wurden dort sogar mehr Autos verkauft als im gleichen Monat des Vorjahres; Audi etwa meldete einen neuen Rekord-Absatzmonat. So ein echter Brecher für die Corona-Welle gibt Exporteuren in den Mega-Markt Rückenwind – und macht auch den Anlegern Mut.

Die gemessen am Absturz vom März massive Erholung an den Börsen zeigt dabei: Auch die Psychologie spielt bei der wirtschaftlichen Gesundung eine große Rolle. Oder anders ausgedrückt: der Glaube an einen anhaltenden Wiederaufschwung ohne drastische Rückschläge. Auch wenn die Zuversicht, sich immer wieder eintrüben kann, gerade angesichts des in den USA weiter hohen Infektionsgeschehens.

Nach einem guten Start in die US-Berichtssaison enttäuschten darum zuletzt wohl auch einige Großkonzerne wie 3M, McDonald’s, Microsoft oder Intel. Dennoch: In den USA konnten mehr als 80 Prozent der 500 größten Firmen, die bereits das Quartal bilanziert haben, die eigenen Prognosen übertreffen. Der Gewinnrückgang liegt demnach zwar bei mehr als 30 Prozent – befürchtet worden war aber ein Einbruch von 42,5 Prozent. 

Auch in Europa haben die Großkonzerne mehrheitlich positiv überrascht. SAP, Reckitt Benckiser, Kering, Daimler, Unilever oder die PSA Group konnten die reduzierten Erwartungen erfüllen. Leiden mussten dagegen Luxuskonzerne wie Moncler und Schwergewicht LVMH mit Marken wie Luis Vuitton und Dior. Die Folgen sind straffe Kürzungsprogramme. Allerdings haben – wie die Deka-Volkswirte betonen – einige Konzerne auch schon vor der ersten Corona-Welle Restrukturierungsprogramme und Personalabbau beschlossen. In der Krise wird das noch einmal verstärkt und beschleunigt.

Jetzt geht es viel um Vertrauen. Und da sieht die Lage gemischt aus: Das Ifo-Geschäftsklima etwa, mit dem die Erwartungen deutscher Manager gemessen werden, ist zuletzt im Monatsvergleich von 86,3 auf 90,5 Punkte gestiegen – also von depressiv auf gedämpft hoffnungsvoll. In den USA dagegen sank das Verbrauchervertrauen stärker als erwartet. Kein Wunder, wenn Strände wieder gesperrt werden, Bars schließen, Konzerte ausfallen. Auch darum schnüren die Amerikaner nun ein weiteres Konjunkturpaket, bis zu 3,5 Billionen US-Dollar schwer.

Auch die Kraft dieser Superstütze für Wirtschaft und Verbraucher wird indes davon abhängen, wie erfolgreich der Kampf gegen das Virus zwischen Florida und Texas, Pennsylvania und Oregon ausgeht. Denn auch Donald Trump weiß inzwischen: Für ein „Make America great again“ – und vielleicht doch noch seine zweite Amtszeit – braucht es viele Milliarden Dollar und viele, viele Masken.

Allein verbindliche Grundlage für den Erwerb von Deka Investmentfonds sind die jeweiligen Wesentlichen Anlegerinformationen, Verkaufsprospekte und Berichte, die in deutscher Sprache bei den Sparkassen oder der DekaBank Deutsche Girozentrale, 60625 Frankfurt und unter www.deka.de erhältlich sind.

Quelle: fondsmagazin.de

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